Neuss Jazz und Frühbarock kombiniert

Neuss · Kann man Jazzmusik für ein Ensemble mit drei Schlagzeugern schreiben und dabei von Kompositionen aus dem Frühbarock ausgehen? Man kann. Das bewies Gitarrist Axel Fischbacher jetzt in einem Konzert, das innerhalb der von Philipp van Endert veranstalteten Reihe "Blue in Green" in der Alten Post stattfand. Aber wie um Himmels Willen kam er auf die Idee, ein Kirchenlied wie "O Haupt voll Blut und Wunden" mit Jazz-Akkorden zu unterlegen und darüber zu improvisieren?

 Axel Fischbacher (l.I und Dennis Gäbel in der Alten Post.

Axel Fischbacher (l.I und Dennis Gäbel in der Alten Post.

Foto: Stei

Die Geschichte ist schnell erzählt: Im letzten Jahr feierte die Stadt Hilden den 450. Geburtstag ihres größten Sohnes Wilhelm Fabry, des Begründers der wissenschaftlichen Chirurgie. Aus diesem Anlass erteilte sie Fischbacher, der in Hilden eine Jazzreihe gegründet hat, den Auftrag, ein Werk zu komponieren. Es sollte sowohl auf die Zeit Wilhelm Fabrys (1560-1634) Bezug nehmen, als auch von Hildener Musikern aufgeführt werden. Nun gibt es in der Stadt an der Itter, die in Jazzer-Kreisen wegen ihres Festivals bekannt ist, zwar einige namhafte Jazzmusiker, doch lässt sich aus ihnen kein Ensemble in üblicher Besetzung bilden, denn es sind, wie der Zufall es will, drei Schlagzeuger und ein Bassist.

Fischbacher aber ließ sich von solch schwierigen Voraussetzungen nicht schrecken, sondern machte sich unter dem Titel "The World is not a Disc", mutig ans Werk. Er führte die Rhythmusgruppe aus Hilden mit einer "Horn Section" aus Bern zusammen, der Stadt, in der Fabry zuletzt wirkte, und in der er 1634 starb, und konfrontierte die Melodien von Komponisten wie Haßler, Praetorius oder Sweelinck mit einem Stil unserer Zeit, dem modernen Jazz. Das Konzept ging auf.

Das Projekt funktioniert in Originalbesetzung ebenso wie jetzt in der Alten Post, wo Fischbacher die Schweizer Mitglieder des Oktetts durch Bläser aus Köln ersetzte. So kam es, dass die altertümlichen Melodien plötzlich begannen, zu swingen und zu grooven. Aus einem Madrigal von Melchior Franck und einem Psalm von Jan Pieterszoon Sweelinck wurde Hardbop, aus Orgelmusik von Hieronymus Praetorius Gospel-Jazz. Und ein dreistimmiger Satz zur Melodie aus einem Ballett verwandelte sich in der Kombination mit Jazz-Harmonien zu einem Uptempo-Stück.

Was am Ende bleibt, ist – unabhängig von der Vorgeschichte – einfach gute Musik. Als die Zuhörer sich bei der Latin-Jazz-Nummer "On the Sand with Echoes" im Samba-Rhythmus mitbewegten, mochten sie sich denken, dass der Titel des ursprünglichen Madrigals von Orlando di Lasso aus dem 16. Jahrhundert auch ein passender Kommentar zum Konzert gewesen wäre: "Hollah, welch gutes Echo!"

(NGZ)
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