Jägerschaft im Kreis Wesel Hege und Pflege der Natur stehen im Fokus

Interview · Der Vorsitzende der Kreisjägerschaft sorgt sich um den Rückgang des Niederwildes und setzt auf Biotoppflege sowie Blühstreifen. Auch die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest bleibt aus seiner Sicht eine der Hauptaufgaben. Warum die Jägerschaft die Population des Schwarzwildes im Auge behalten muss.

 Harold Ries in der vorgeschriebenen Funktionskleidung. Er zeigt eine 25 Jahre alte Korkeiche, die eigentlich nach Spanien gehört.

Harold Ries in der vorgeschriebenen Funktionskleidung. Er zeigt eine 25 Jahre alte Korkeiche, die eigentlich nach Spanien gehört.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Herr Ries, Sie sind von mehr als 2900 Mitgliedern der Kreisjägerschaft Wesel der neue Vorsitzende. Was hat Sie gereizt, sich der Wahl zu stellen?

Harold Ries Seit mehr als 30 Jahren bin ich Ausbilder für Jagdrecht und Jagdbetrieb, Prüfer in der Jägerprüfung für Land- und Forstwirtschaft. Ehrenamtliches Engagement, immer verbunden mit den Zielen von Nachhaltigkeit und Umwelt, auf Leitungsebenen des Kolpingwerkes, verbandliche Erfahrung als „Netzwerker“ in einem großen Verband und konstruktiv-kritische Zusammenarbeit mit der Politik waren ausschlaggebend, mich der Wahl zu stellen. Der Einsatz für Natur und Umwelt und die Jagd haben mich immer begleitet.

Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit hat die Kreisjägerschaft den begehrten Heimatpreis bekommen. Motiviert das bei all den Herausforderungen?

Ries Natürlich sind Preise immer eine tolle Geschichte. Vor allem, weil man merkt, dass die ehrenamtliche Arbeit anerkannt und gewürdigt wird. Es motiviert uns Jäger und Jägerinnen zusätzlich, sich weiter verstärkt für die Hege und Pflege der Natur einzusetzen. Sehr viele leisten in ihren Revieren hervorragende Arbeit in der Biotoppflege, mit der Anpflanzung von Hecken, Blühstreifen oder beim Aufstellen von Nisthilfen.

Welche Aufgaben stehen für Sie aktuell an erster Stelle, und wo liegt der Schwerpunkt?

Ries Die Bekämpfung der afrikanischen Schweinepest bleibt immer noch eine der Hauptaufgaben. Schwarzwild gibt es reichlich. Die Entwicklung der Population müssen wir im Auge haben, hier liegt auch unter den Corona-Bedingungen die Systemrelevanz der Jagd. Außerdem ist uns die Ausbildung und ständige Weiterbildung sehr wichtig. In Zeiten von Corona sind der Unterricht, die Aus- und Weiterbildung auf dem Schießstand und im Revier allerdings eine Herausforderung. Zur Ausbildung von jungen Menschen gehören auch unsere „Rollenden Waldschulen“, die in Kindergärten und Schulen schon den Kleinen die Natur nahebringen.

Was ist Ihre größte Sorge?

Ries Dass eine Minderheit uns in Verruf bringt und leider durch zunehmende Radikalisierung, wie wir sie anderswo aktuell erleben, auch Menschenleben in Gefahr bringt. Beispielsweise durch Ansägen von Ansitzen. Kleine Gruppen werden nicht müde, bei einer Hubertusmesse Teilnehmende als „Mörderbande“ und blutrünstige Trophäenjäger darzustellen. Klar, bei uns gibt es – wie überall – schwarze Schafe. Doch die große Mehrheit der Jäger handelt sehr verantwortungsbewusst.

Wie steht es um das Wild im Kreis Wesel?

Ries Große Sorge macht uns der Rückgang des Niederwildes, das für den Niederrhein so typisch ist. Hase und Fasan sind stark zurückgegangen. Das hat viele Gründe. Feststeht, dass wir alle mit der Landwirtschaft etwas tun müssen. Blühstreifen sind schon mal ein Anfang.

Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Jägerschaft und Landwirtschaft ein?

Ries Gut. Viele aus der Landwirtschaft sind selbst jagdlich aktiv. Generell ist das gegenseitige Verständnis groß. Natürlich gibt es Differenzen. Wir sehen die großen Energiemaispflanzungen nicht so gerne. Die Landwirtschaft ärgert sich vielleicht über Wildschäden, die zu verhindern gewesen wären. Ich schätze den vertrauensvollen Umgang und Respekt vor der Arbeit des jeweils Anderen.

Welche Resonanz erleben Sie auf die Kitzrettung per Drohne?

Ries Sehr positive. Eine tolle Geschichte. Die Kreisjägerschaft hat zwei eigene Drohnen wie auch einige Hegeringe. Es gibt ein Pilotenteam, das sich ehrenamtlich einsetzt. Damit konnten 2021 mehr als 100 Kitze gerettet werden. Natürlich gibt es Kritik. Wir würden die Tiere nur retten, um sie anschließend zu erlegen, lautet der Vorwurf. Diese Kritik sticht nicht. Es geht ohne jeglichen jagdlichen Hintergedanken darum, die Kreaturen vor einem grausamen Mähtod zu retten. Wer einmal ein Kitz gesehen hat, das vom Kreiselmäher getroffen wurde, wird den Anblick nicht vergessen.

Was macht die Jägerschaft in Pandemiezeiten?

Ries Uns fehlen die Gesellschaftsjagden, die zur Regulierung des Wildbestandes wichtig sind. Der persönliche Austausch fehlt. Für uns als Verein ist alles andere nahezu gleich geblieben. In erster Linie halten wir unsere Schießstände offen für die Ausbildung und Fortbildung sowie für das Erlangen der rechtlich vorgeschriebenen Schießübungsnachweise. Sie sind aus Gründen des Tierschutzes notwendig. Nur wer sicher schießt, kann das Wild waidgerecht erlegen.

Mehr als 40 Männer und Frauen wollen im April das „Grüne Abitur“ bestehen. Wie klappt es mit den Vorbereitungen?

Ries Wir haben in den letzten Jahren viele Erfahrungen gemacht und immer wieder auf neue Vorgaben reagiert. 2020 sind wir mitten im Kurs in den Lockdown gegangen. Gerade was die Durchführung der Jägerprüfung unter Pandemie-Bedingungen angeht, sind wir in enger Abstimmung mit der Unteren Jagdbehörde des Kreises Wesel. Digitalisierung und digitales Lernen haben Einzug gehalten. Weite Teile des Unterrichtes finden online statt. Ansonsten gelten 2G und AHA-Regeln bei Präsenzveranstaltungen.

Die Rollende Waldschule ist ein Erfolgsmodell. Welche starke Stimmen braucht die Jägerschaft noch?

Ries Wir brauchen die Rückendeckung der Politik, gerne mal in öffentlichen Statements. Gemeinsam mit Land- und Forstwirtschaft werden wir uns verstärkt den Herausforderungen des Klimawandels und den Auswirkungen auf die Umwelt stellen müssen. Die Aufforstung der vielen Freiflächen nach Borkenkäferbefall ist ein Thema. Hier sind gute wie langfristige Konzepte der Wiederbewaldung im Einklang mit dem Wildbestand gefragt. Auch eine weitere Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest kann uns noch erreichen. Dazu müssen rechtzeitig und gemeinsam mit Politik und Verwaltung Konzepte und Lösungen erarbeitet werden. Eine Novellierung des Bundesjagdgesetzes hat die Große Koalition nicht mehr erreicht. Im Hinblick auf technische Verbesserung und Modernisierung der jagdlichen Technik wollen wir bei den zu erwartenden politischen Beratungen auf allen Ebenen unsere Erfahrung beisteuern.

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