Unsere Woche Wenn die Geduld reißt

Moers · Kanzlerin Angela Merkel muss man in diesen Tagen bewundern. Wie sie im Wahlkampf übelste Schmähungen bis hin zu Tomatenwürfen mit rautenförmiger Gelassenheit hinnimmt, nötigt Respekt ab. Nicht jeder ist so gestrickt,. Unvergessen, wie Helmut Kohl als der leibhaftige furor teutonicus in Erfurt auf Eierwerfer zustürzte in der Absicht, der Bengel habhaft zu werden.

Einige Polit-Etagen tiefer müssen sich Bundestagskandidaten gegenwärtig ebenfalls im Wahlkampf mitunter Situationen aussetzen, die mit politischer Auseinandersetzungen nichts mehr zu tun haben.

Selbst als Privatmann ist man in diesen Tagen vor Konfrontationen mit Polit-Pöblern nicht mehr geschützt. Jüngst bereitete ich mich im Umkleideraum meines Fitness-Zentrums auf das morgendliche Training vor, als ich über den Raumteiler mit den Kleidungsschließfächern hinweg eine Stimme tönen hörte: Diese Flüchtlinge kämen ja nur nach Deutschland, um uns die Haare vom Kopf zu fressen, sollte man alle zusammenpacken und wieder dahin schaffen, wo sie hergekommen seien, und für den normalen Bürger werde ja nichts getan!

Mir war das extrem unangenehm. Gar nichtvorrangig deshalb, weil ich die Auffassung nicht teilte, sondern weil ich beim Sport mit Politik gleich welcher Couleur überhaupt nichts zu tun haben will.

Ich war schon auf dem Weg indie Halle, als ich den Satz hörte: "Die in Berlin sind doch alle Verbrecher!" Ich wollte weitergehen, doch dann drehte ich mich doch um. Da stand ein Mensch mittleren Alters, umringt vorn drei Sportsfreunden und blickte beifallheischend in die Runde. Ich ging auf ihn zu und sagte, dass ich seine Ausführungen zwangsläufig mitbekommen habe und dass ich pauschale Diffamierungen von Personengruppen als Verbrecher beim Sport nicht hören wolle..

Dem Mann war mein plötzlicher Widerspruch sichtlich unangenehm. Er murmelte etwas von "freier Meinung".

Ich ließ ihn stehen.

Auch ich fühlte mich unwohl . Hatte ich nicht genau das getan, was ich verabscheute: Einen politischen Streit in eine Sphäre getragen, wo er nichts verloren hat? Hätte ich nicht einfach die Klappe halten sollen? Was meinen Sie? Schreiben Sie an juergen.stock@rheinische-post.de

Ein schönes Wochenende!

(RP)
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