Mönchengladbach Unternehmer misstrauen großer Koalition

Mönchengladbach · Die Vorbehalte gegenüber der neuen Regierung sind groß. Fehlende Fachkompetenz und eine unzureichende Agenda sind Kritikpunkte.

Parteichefs unterzeichnen Koalitionsvertrag endgültig
8 Bilder

Parteichefs unterzeichnen Koalitionsvertrag endgültig

8 Bilder

Ein tiefes Seufzen, das für sich steht, aussagekräftiger als jeder Satz. Die erste, spontane Reaktion auf die Frage nach der Erwartungshaltung an die große Koalition ist bei den lokalen Unternehmern nahezu durch die Bank identisch. Mit Vorschusslorbeeren wird das Kabinett keineswegs überhäuft. Die Skepsis überwiegt, die Hoffnung auf die eigene Fehleinschätzung aber lebt. Unisono stehen die Chancen einer thematischen Fokussierung auf dem Wunschzettel. "Wenn alle ihre Zutaten, sprich Fähigkeiten in ein Süppchen rühren, wird es am Ende der großen Mehrheit schmecken", überträgt Thorsten Neumann, Geschäftsführer vom Event-Caterer Noi!, sein Branchenwissen in einem Slogan der Hoffnung auf die Politik.

Gerade an den Fähigkeiten der neuen und alten Minister gibt es aber durchaus Zweifel. "Ich habe die Sorge, dass Personen Funktionen übernehmen, die sie fachlich überfordern. Ich würde mir mehr Fachkompetenz wünschen", sagt Norbert Bienen von der Immobilien GmbH Bienen & Partner. "Ich habe erhebliche Bedenken bei der großen Koalition. Beim ersten Versuch zwischen 2005 und 2009 war es ja sehr unternehmerfeindlich", erklärt auch Bernd Gothe, Geschäftsführer des Heinz Gothe Edelstahlhandels. "Es stehen viele Gesetzesentwürfe an, die viel Geld kosten. Das wichtige Ministerium für Arbeit und Soziales wurde mit Andrea Nahles besetzt, die nicht gerade auf der Seite der Unternehmer steht."

Die Personalauswahl ist aber nur ein Kritikpunkt. Im Fokus steht vor allem der Zweifel an der richtigen Themensetzung. "Für mich ist es eine große Koalition der großen Kompromisse. Lieber wären mir Wachstumsimpulse gewesen. Da wird mir zu viel auf die Schultern künftiger Generationen gepackt", sagt Heinz Schmidt, Präsident der IHK Mittlerer Niederrhein und fordert: "Wir sollten die Herausforderungen nicht unterschätzen. Eurokrise, demografische Entwicklung und öffentliche Infrastruktur sind die wirklichen Baustellen."

Claus Schwenzer von der Effertz Tore GmbH setzt die Messlatte ganz unten an: "Ich wäre schon zufrieden, wenn es mit der großen Koalition nicht schlimmer werden würde, als ich es befürchte." Der Geschäftsführer hätte erwartet, dass die neue Regierung große Themen, wie etwa die Neuordnung der Bundesländer, angeht. "Stattdessen kümmern sie sich nur um Kleinkram."

Bei Firmen mit großem Strombedarf steht der Wunsch nach unternehmerfreundlichen Entscheidungen beim Thema Energiepolitik naturgemäß ganz oben auf dem Zettel für den schwarz-roten Weihnachtsmann. Umweltverträglich aber bezahlbar — so soll die Energiewende nach den Vorstellungen von IHK-Präsident Schmidt ablaufen. "Nur erneuerbare Energie wird nicht funktionieren. Wir brauchen auch weiterhin konventionelle Energiegewinnung", stimmt Gothe zu. Für NEW-Vorstand Frank Kindervatter ist dies ohnehin die bestimmende Thematik der kommenden Monate: "Es wäre zu wünschen, wenn die große Koalition ihre Chance und ihre Kraft nutzt, um die Energiewende sinnvoll voranzutreiben. Die EU strengt ein Beihilfeverfahren an und unsere Kunden haben mit Kostensteigerungen zu kämpfen. Die ganze Branche wartet darauf, dass das EEG reformiert wird."

Stefan Bresser, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, stellt die Bildungspolitik vor die Energiewende auf Platz eins der Agenda. "Schulabgänger müssen wenigstens so weit sein, dass sie für eine Berufsausbildung geeignet sind", sagt er und verweist auf rückläufige Zahlen qualifizierter Ausbildungsanwärter. Eine Befürchtung der breiten Bevölkerung teilt Bresser aber nicht: "Das Risiko eines Stillstandes durch die große Koalition sehe ich nicht. Dafür ist keine hinreichend starke Opposition vorhanden."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort