Neue Möglichkeiten für die Großstadt-Logistik Smarte Betonschränke aus Gladbach

Früher versteckte die Paul Wolff GmbH in ihren Depotschränken Mülltonnen. Nach der Beteiligung an einem Start-up können die Schränke jetzt per App bedient werden – das eröffnet für die Großstadt-Logistik völlig neue Möglichkeiten.

 Paul Wolff GmbH
Dr. Hanns Menzel

Paul Wolff GmbH Dr. Hanns Menzel

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Eine große, helle Halle. Verteilt stehen mächtige Formen, halb offen oder verschlossen. Verschalungen, in denen Betonschränke gegossen werden. Nebenan in der Halle werden die Mechanik und die Türen eingebaut. Stahlverarbeitung heißt dies nüchtern. Die dritte Säule der Paul Wolff GmbH ist nicht so augenfällig. Sie entsteht weitgehend in den Köpfen und auf den Bildschirmen der Mitarbeiter: Software.

Das mittelständische Unternehmen an der Monschauer Straße steht an der Schwelle zur Digitalisierung seiner Produkte. Diese Einschätzung trifft es nicht ganz, denn seit drei, vier Jahren hat die Elektronik endgültig Einzug in die Firma gehalten, die sich seit fast 60 Jahren um die Unterbringung von Müllgefäßen kümmert.

Die jüngste Zeit werde allerdings massiv von der Arbeit an der Elektrifizierung bestimmt, sagt Hanns Menzel, geschäftsführender Gesellschafter: „Connect ready nimmt etwa 50 Prozent unserer Entwicklungsarbeit ein.“ Um die optisch ansprechende Verpackung oder das Verstecken hässlicher Mülltonnen geht es längst nicht mehr nur. Und so habe sich die Paul Wolff GmbH etwa an dem Jenaer Start-Up Paketin beteiligt: „Wir sind einer von zwei Co-Investoren. Die dort entwickelte App zur Verwaltung unserer Schränke schafft völlig neue Dimensionen etwa in der Bestückung der Depots.“ Menzel sagt ausdrücklich Depots, denn das Schranksystem böte schier unbegrenzte Möglichkeiten: „Sie sind mit der App vor allem ein für alle Nutzer offenes System.“

Was er damit meint, lässt sich vor der Firmenzentrale erahnen. Auf den ersten Blick wähnt sich der unbefangene Besucher in einem Skulpturenpark, in dem die Objekte jedoch alle irgendwie gleich aussehen. Größe, Farbe, Form, Oberflächengestaltung sind dennoch individuell. Natürlich ließen sich in solchen Schränken Rolltonnen ästhetisch, modern und zweckmäßig unterbringen. Der Clou erschließt sich erst, wenn Geschäftsführer Menzel sein Smartphone zückt. Er steht vor einem der Depotschränke und simuliert den Lieferanten eines Paketes. Mit wenigen Klicks wie „Abliefern“ und „Empfänger“ auswählen, öffnet sich ein Fach des Depots.

Menzel sieht in seinen Schränken das fehlende Bindeglied zwischen Zustellung und Zuhause. Nun sei nicht mehr erforderlich, dass der Adressat hinter der Haustür auf sein Paket wartet: „Rund 50 Prozent der Paketzustellungen scheitern daran, dass der Paketbote vergeblich klingelt.“ Die Innenstädte würden mit weniger Feinstaub belastet, weil sich der Lieferverkehr reduziert, die Fehlversuche bei der Zulieferung wegfielen. Außerdem könnten viele Zustellungen auf die Nächte verlegt werden. Die Deutsche Post bietet über die Tochter DHL bereits Paketbriefkästen an, aber eben nur für den eigenen Dienst.

Das universelle System sei besonders für Kleinanlieferer interessant, so Menzel: „Damit meine ich den Biobauern ebenso wie Kanzleien, die ihre Akten für die Archivierung in den Depots bereit legen. Vorstellbar ist aber auch, dass der Servicetechniker dringend benötigte Ersatzteile in verabredete Depots geliefert bekommt.“ Baumaterialien könnten nach Feierabend an Baustellen geliefert werden, und, und, und. „Wir können uns noch viele andere Anwendungen denken. Wir sind erst am Anfang“, meint der Geschäftsführer zuversichtlich und spricht etwa den Lebensmittelhandel an.

Die Projekte und Visionen seien für das traditionsreiche Unternehmen auch eine kulturelle Herausforderung. Und in der Schlosserei gelte es, Schließvorrichtungen nicht nur millimetergenau genau herzustellen, sondern deutlich feiner zu arbeiten: „Bei den elektromechanischen Schließungen, die wir für die Digitalisierung brauchen, wo beim Schließen ein Impuls ausgelöst werden muss, liegen wir sicher unter einem Millimeter.“

In München ist aus dieser Zukunft bereits ein Stück Realität geworden: durch die Zusammenarbeit des Gladbacher Unternehmens, das noch eine Dependance in Ditzingen unterhält, mit der Stadt München und Kurierdiensten. In der Isar-Metropole werden derzeit rund fünf Mikrodepots betrieben: „Dort werden Pakete von Vans angeliefert und dann von Lastenrädern zum Empfänger gebracht. Allerdings muss der auch zuhause sein.“

 Mit Blick auf die Umstellung von Ringtonnen auf Rolltonnen in Mönchengladbach messen die individuell und (Zugangs-)geschützten Müllschränke und -gefäße die jeweiligen Befüllungsstände: „Die Daten können in einer Cloud gespeichert und vom jeweiligen Entsorger abgerufen werden.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort