Frühjahrsputz in Mönchengladbach „Müll ist modern“

Mönchengladbach · Auf die Straße und ran an die Greifzange: So lautet am Samstag, 14. März, die Devise in Mönchengladbach. Die Rheinische Post, GEM und Stadtsparkasse rufen zum 24. Frühjahrsputz auf. Ein Job, den die „Cleanies“ vom Volksverein täglich leisten. Ein Tag auf Streife durch Güdderath.

 Unterwegs mit den Müllsammlern von Clean-Up-MG: Marvin Ortolan pickt mit seiner Zange achtlos weggeworfenen Müll auf.

Unterwegs mit den Müllsammlern von Clean-Up-MG: Marvin Ortolan pickt mit seiner Zange achtlos weggeworfenen Müll auf.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Noch bevor die Sonne aufgeht, begeben sich 18 Männer in grellem Orange auf Müllsuche. Sie spüren genau das auf, was andere achtlos wegwerfen. Denn es geht so schnell: Ein Auto stoppt an der Ampel, Fenster auf und Fluppe raus. „Müll ist modern. Wir sind noch nicht auf dem Weg, dass es weniger wird“, sagt Bernd Quasten. Der 64-Jährige leitet das Kooperationsprojekt Clean-Up-MG vom Volksverein und der Mags (GEM). Quasten hilft, wilden Müll von den Rändern der Ausfahrtstraßen in Mönchengladbach zu beseitigen. Überall dort, wo Straßen.NRW und GEM nicht hinkommen, werden die „Cleanies“ aktiv. Das sind vor allem Industriegebiete, Landstraßen außerhalb des Stadtgebiets und Rastplätze. Ohne die Cleanies würden diese Orte im Müll schwimmen.

Cleanies sind Langzeitarbeitslose, die durch die Beschäftigung beim Volksverein zurück in die Arbeitswelt und die Gesellschaft finden. „Jeder hier hat sein Päckchen zu tragen“, sagt Quasten. „Die Menschen kommen aus allen möglichen Schichten und Situationen.“ Zwei Jahre lang sind sie angestellt, um ihren Alltag mit sinnvoller Arbeit zu füllen. Aber es ist ein Knochenjob. 30 Stunden in der Woche, von 7 bis 13.30 Uhr, stehen sie bei Schneeregen, Sturm und Hitze am Straßenrand. „Wer nicht motiviert ist, ist bei uns falsch“, sagt Quasten. Denn beim Müllsammeln gibt es keinen Rückzugsort.

Für Kevin ist es der erste Tag als Cleanie. Er hat sich über das Jobcenter auf eine Stelle bei Clean-Up-MG beworben. Zunächst wird er mit Handschuhen, einer Pickzange und Müllsäcken ausgestattet. Ein Kollege erklärt ihm schnell die wichtigsten Regeln: Erstens: Sack öffnen und einen Ring um die Öffnung krempeln. „So kannst du den besser halten“, sagt Hans Josef. Die Tagesration liegt bei etwa zwei vollen 70-Liter-Säcken pro Mann – da kann der Arm schnell lahm werden. Regel Nummer zwei: An gefährlichen Landstraßen mit hohem Tempolimit immer zu zweit auf einem Seitenstreifen picken.

Heute steht Güdderath auf dem Säuberungsplan. Je nach Tagesform wird entschieden, welche Region an der Reihe ist. „Immer dem Müll hinterher“, sagt Quasten. Der erste Stopp ist am Parkplatz am Wickrather Schwimmbad. Quasten lässt seinen Blick gekonnt über die Fläche schweifen. „Hier ist alles tip top“, sagt er und fährt zügig weiter. Durch das Orkantief „Sabine“ ist der meiste Müll – etwa Kaffeebecher, Kaugummipapierchen oder Plastiktüten – verweht worden. Das macht es schwieriger, ihn zu finden. Dennoch gibt es Unmengen an wildem Müll, der liegen geblieben ist.

 Unterwegs mit den Müllsammlern von Clean-Up-MG: Hans Josef (r.) und Tobias.

Unterwegs mit den Müllsammlern von Clean-Up-MG: Hans Josef (r.) und Tobias.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Besonders anfällig ist das Industriegebiet an der L39. „Als ich bei Clean-Up angefangen habe, gab es das noch nicht“, sagt Quasten. „Damals haben wir noch Mittagspause auf dem Feld gemacht.“ Jetzt liegt dort Müll. Auch ein Pendler-Parkplatz an der A61 bei Wanlo ist für die Müllsammler ein gefundenes Fressen. „Man kann sich gar nicht vorstellen, was die Menschen hier alles zurücklassen“, sagt Thomas kopfschüttelnd. Er ist seit einem Jahr und drei Monaten bei Clean-Up aktiv. In dieser Zeit hat der Familienvater unter anderem auch Autobatterien, Matratzen und Kühlschränke aufgespürt. Diese Funde, aus denen giftige Flüssigkeiten austreten können, verärgern ihn am meisten.

„Ich versuche, meine Kinder jetzt schon umweltbewusst zu erziehen“, sagt Thomas. Denn obwohl immer mehr über Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein gesprochen wird, gibt es so viel Arbeit wie nie. 2019 sammelten die Cleanies 45 Tonnen Abfall an den Straßenrändern ein. Eine Aktion, die sich diesem Problem annimmt, ist der alljährliche Frühjahrsputz von Rheinischer Post, GEM und Stadtsparkasse. Bei der Aktion werden wieder Tausende Mönchengladbacher die Grünflächen von achtlos entsorgtem Dreck befreien. „Das ist der Tag, der sich richtig lohnt. Je mehr mitmachen desto besser“, schwärmt Quasten von der Mönchengladbacher Bürgerinitiative, die in diesem Jahr zum 24. Mal ansteht. Die Bevölkerung lernt so die Sisyphusarbeit der Cleanies zu schätzen. Wird ein Abschnitt erfolgreich gesäubert, ist er am nächsten Tag wieder zugemüllt. Und das Spiel beginnt von vorn. „Wir werden nie fertig“, sagt Quasten. Das Hauptziel ist die Aktivierung der Arbeiter. Denn entscheidend ist, was nach den zwei Jahren Müllsammlung mit ihnen passiert. „Wir wollen sie nicht fallen lassen, sondern bestmöglich auf dem Arbeitsmarkt unterkriegen“, sagt Quasten. 2019 konnte fünf Teilnehmern eine feste Arbeit vermittelt werden.

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