70 Alkoholexzesse bei Jugendlichen in Mönchengladbach „Komasaufen“ bleibt ein Problem

Mönchengladbach · Alkoholexzesse unter Jugendlichen sind in Mönchengladbach noch genauso häufig wie vor zehn Jahren. Experten kritisieren, dass der Konsum nur kritisch bewertet wird, wenn er Extremformen erreicht.

Foto: dpa, bsc

Es ist nach wie vor ein ernstzunehmendes Thema: Jugendliche, mitunter minderjährig, die sich krankenhausreif betrinken. Eine Erhebung des Statistischen Landesamts Information und Technik Nordrhein-Westfalen zeigt das Aufkommen von akuter Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen im Alter von zehn bis unter 20 Jahren während der vergangenen Jahre. In Mönchengladbach waren die Zahlen schon mal besorgniserregender: Zwischen 2007 und 2008 ist die Anzahl akuter Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen um 30 Prozent gestiegen, zwischen 2014 und 2015 dann wieder um 30 Prozent gesunken. In der Zeitspanne von zehn Jahren aber erscheint das Phänomen stabil: 2007 gab es 73 Fälle, 2017 waren es 70, gegenüber dem Vorjahr gab es im vergangenen Jahr eine Abnahme um 1,4 Prozent.

„Die Alkoholintoxikation von Kindern und Jugendlichen bleibt ein ernst zunehmendes Problem in der Kinder- und Jugendmedizin“, sagt Markus Vogel, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Krankenhaus Neuwerk. Dort habe man für die vergangenen drei Jahre, also von 2015 bis 2018, eine Halbierung der ambulanten oder stationären Vorstellungen von Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen festgestellt. „Dennoch gehen wir nicht von einer Lösung des Problems aus. Denn im Vergleich zu den Vorjahren ist die Symptomatik gravierender, die Alkoholkonzentrationen sind höher, und nicht selten liegt auch noch ein Konsum anderer Drogen vor.“ Bei der stationären Aufnahmen durch Alkoholmissbrauch spricht er von regelrechten Stoßzeiten, „an Halloween, Karneval oder zu Beginn der Schulferien“.

Auch Katrin Ohlenforst aus dem Team der Suchtberatung des Diakonischen Werks Mönchengladbach sieht in den stabilen Zahlen für die vergangenen Jahre keinen Grund zur Entwarnung. „Unsere Beratungsstelle verzeichnet bis Ende Oktober diesen Jahres einen Anstieg der Ratsuchenden dieser Zielgruppe von aktuell zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, sagt sie. Diese Zahlen hätten zwar kaum statistische Relevanz, da es sich um eine kleine Fachberatungsstelle handelt. „Es fällt aber deutlich auf, dass wir in diesem Jahr deutlich mehr Jugendliche und junge Erwachsene in Mönchengladbach in eine stationäre Langzeittherapie vermitteln mussten.“

Als Faktoren, die das Trinkverhalten von Jugendlichen beeinflussen, nennt Ohlenforst das Elternhaus und das soziale Umfeld. „Probleme und Schwierigkeiten in der Schule, oder ein übermäßiger Alkoholkonsum durch die Eltern kann sich auf die Einstellung des Jugendlichen oder jungen Erwachsenen auswirken.“ Zusätzlich orientierten sich Betroffene dieser Altersgruppe oft am Trinkverhalten ihrer Freunde. „Geburtstagsfeiern oder Partys bieten einen Anlass, sich durch alkoholische Getränke lockerer und weniger gehemmt zu fühlen.“

Ohlenforst kritisiert, dass der Alkoholkonsum nur problematisch bewertet wird, wenn er zu schweren Alkoholvergiftungen oder Gewaltdelikten führt. Grundsätzlich gelte: Desto früher der Alkoholkonsum beginnt, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit eine Abhängigkeit zu entwickeln. „Wir empfehlen, vor Vollendung des 18. Lebensjahres möglichst keinen Alkohol zu trinken. Falls doch, dann möglichst selten und in möglichst geringen Mengen.“

In der Suchtberatung des Diakonischen Werks gibt es eine offene Sprechstunde für Jugendliche und junge Erwachsene bis unter 25 Jahren. Die Betroffenen können ohne vorherige Terminvereinbarung, montags zwischen 15 und 16 Uhr, in die Beratungsstelle an der Mittelstraße 12 kommen oder per Telefon (02166 17677) oder Email (suchtberatung@diakonie-mg.de) einen kurzfristigen Gesprächstermin vereinbaren. Zusätzlich gibt es ein Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene, die bereits Probleme durch den Alkoholkonsum zeigen. Sie sollen ein Bewusstsein für die eigene gesundheitliche Gefährdung entwickeln und den eigenen Konsum besser steuern können. Auch für die Eltern der betroffenen Jugendlichen gibt es ein Gesprächsangebot im Rahmen der Angehörigenberatung.

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