Mönchengladbach Teufeleien aus dem Schwarzen Quadrat

Mönchengladbach · Experiment zum Spielzeitstart: Die armenische Regisseurin Zara Antonyan präsentiert im Theater ihre Schauspielfassung des Romans „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow.

 Esther Keil im knallroten Kleid in einer Szene des Schauspiels „Der Meister und Margarita“.

Esther Keil im knallroten Kleid in einer Szene des Schauspiels „Der Meister und Margarita“.

Foto: Matthias Stutte

Der Oberbürgermeister hatte gute Nachrichten: Zur Spielzeiteröffnung teilte Hans Wilhelm Reiners mit, dass die Städte Krefeld und Mönchengladbach dem Theater eine sichere Zukunft, zumindest bis 2025, ermöglichen. „Mönchengladbach wird seinen Zuschuss um 1,9 Millionen Euro im Jahr erhöhen“, sagte er. Es sei freilich „ein großer Kraftakt, das alles zu stemmen“.

Einen Kraftakt ohnegleichen leisteten die Beschäftigten des Theaters zum Auftakt der neuen Saison. Mehr als drei Stunden arbeitete die Theatermaschinerie auf Hochtouren, verausgabten sich elf Akteure und viele Helfer bis zur Erschöpfung, um dem ehrgeizigen Projekt der armenischen Regisseurin Zara Antonyan gerecht zu werden. Die Schauspielerin aus Erewan hat den neben „Doktor Schiwago“ wichtigsten russischen Roman des 20. Jahrhunderts für die Bühne bearbeitet: „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow. Ernüchterndes Resümee nach der Erstbesichtigung: ein faustisches Unterfangen, dessen wogender Bilderflut aus vielen Puzzleteilen jedoch das einigende Band fehlt, um es mit Goethe zu sagen.

Das Faust-Drama hat Bulgakow (1891-1940) zu seinem Künstlerroman inspiriert, der sich den gesellschaftspolitischen Bedrängnissen der Stalin-Zeit widmet. Es geht um Zensur, Feigheit, teuflische Einflüsterung, Liebe, den unterm Atheismus verkümmernden Glauben, und es gibt eine breite Rückblende in die Zeit Jesu Christi. Darin steht der römische Präfekt Pontius Pilatus im Fokus. Bulgakow benutzt die aramäischen Namen statt der geläufigen lateinischen: Jeschua ha-Nozri statt Jesus von Nazareth heißt der „Wanderprediger“ im Stück. Der Teufel, unter seinem altdeutschen Namen Woland, wird zur alles vorantreibenden Kraft, die Böses will, aber Gutes schafft. Oder auch nicht . . .

Die Moralität des Stücks bewegt sich, verkörpert von Esther Keil, zu Anfang aus einem schwarzen Quadrat (à la Malewitsch) auf die Bühne und wird am Ende in Form einer Pietà der beiden Titelpersonen wieder zurückgesogen. Dazwischen erleben wir in 190 Minuten eine Groteske aus intensiven Bildern einer fantastischen Lichtregie, getragen von ideenreichem Spiel, aber akustisch überwürzt durch Musik. Das sieht sich spannend an, wird nie langweilig, aber ob der mit kubistischen Motiven wie von Kandinsky dekorierte Prospekt Dirk Seesemanns wirklich bedenkenswerte Botschaften transportiert, muss jeder Zuschauer für sich entscheiden.

Was scheinbar zahm mit einem skurrilen Streitgespräch zweier Autoren (Henning Kallweit und Michael Ophelders) beginnt, setzt sich fort in einer dämonischen Walpurgisnacht, wobei Carolin Schupa als Hexe Hella in Nackt-Kostümierung die Blicke auf sich zieht. Paul Steinbach gewinnt als Magier Woland mit ruppigem Auftreten wenig Sympathie. Philipp Sommer massiert in der Rolle des Jeschua dem in der Badewanne planschenden Pilatus (Adrian Linke) die Füße. Henning Kallweit, als Evangelist Matthäus Zeuge der Kreuzigung Christi, wirkt in seiner Verzweiflung authentischer als Jesus selbst. Eine schräge Liebesgeschichte zeigen Adrian Linke als Meister(-Schriftsteller) und Vera Maria Schmidt als seine Muse Margarita. Sie erlebt ihren darstellerischen Höhepunkt als nackt über die Moskauer Skyline fliegende Ballkönigin. Eine Meisterleistung des Video-Teams. Immer wieder müssen Darsteller etwas aus- oder anziehen, was Petra Wilke für sie geschneidert hat. Das lenkt ab vom mageren Inhalt. Zara Antonyans Experiment scheitert auf hohem Niveau.

Nächste Vorstellungen: 23. September; 10., 20. Oktober

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