Denkanstoß Kennen Sie Posen?

Mönchengladbach · Die polnische Stadt hat Olaf Nöller und seine Mitreisenden sehr bewegt. Dort wurde um 968 die erste Kathedrale des Landes gebaut.

 Ein Blick auf den Posener Marktplatz mit dem berühmten Renaissance-Rathaus und den alten sehenswerten Krämerhäusern.

Ein Blick auf den Posener Marktplatz mit dem berühmten Renaissance-Rathaus und den alten sehenswerten Krämerhäusern.

Foto: Olaf Nöller

Während ich diesen Denkanstoß schreibe, bin ich gedanklich noch woanders. Gestern Abend erst kam ich aus Polen zurück, wo ich mit einer  Studiengruppe neun Tage unterwegs war. Die Reise führte die 27 Mitreisenden von Danzig (Gdansk) und Cadinen (Kadyny) in der Nähe der Ostseeküste nach Masuren, wo die Ev. Kirchengemeinde Rheydt seit 15 Jahren eine Partnergemeinde hat. Von Posen (Poznan) aus flogen wir zurück. Das Meiste auf der Reise hatte ich schon gesehen – die Stadt Posen war für uns alle eine Neuentdeckung, die uns sehr bewegte und tiefe Eindrücke hinterließ.

Posen ist eine uralte Stadt, die mit Polens Schicksal eng verbunden ist. Hier wurde um 968 die erste Kathedrale des Landes gebaut und hier war bis zur Verlegung nach Krakau die Residenz der polnischen Könige. Im 13. Jahrhundert gründeten deutsche Einwanderer auf der anderen Seite der Warthe eine Siedlung. Beide Städte wurden erst nach 500 Jahren in preußischer Zeit vereinigt. Günstig an alten Handelswegen gelegen, blühte das Handelszentrum auf. Sichtbarer Ausdruck dessen ist bis heute das um 1550 von Gianbattista Quadro im besten Renaissancestil umgebaute Posener Rathaus. Im Zuge der Zweiten polnischen Teilung fiel auch Posen 1793 an Preußen, ebenso nach dem Wiener Kongress  als Hauptstadt der gleichnamigen preußischen Provinz. Schrittweise wurde jetzt der Einfluss der anfänglich noch gleichberechtigten polnischen Kultur zurückgedrängt. Nach 1871 begann eine Germanisierungspolitik, die auch den Schulunterricht und die Gottesdienste auf polnischer Sprache verbot. Der „Deutsche Ostmarkenverein“, 1894 gegründet, und die „Ansiedlungskommission“ versuchte dagegen, das Deutschtum in Stadt und Provinz zu stärken. Ausdruck dafür ist auch das riesige Posener „Residenzschloss“, das sich Kaiser Wilhelm II. für fünf Millionen Mark errichten ließ. Er besuchte es allerdings nur zweimal…

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs erhob sich die mehrheitlich polnische Bevölkerung zum Aufstand, so dass Posen und der größte Teil der Provinz in den 1918 neu gegründeten polnischen Staat eingingen – bis die Deutsche Wehrmacht am 10.9.1939 die Handels- und Messestadt eroberte. Danach war Posen Hauptstadt des neu gegründeten „Reichsgaus Wartheland“, in dem „Volksdeutsche“ angesiedelt  wurden. Für die polnische Bevölkerung bedeutete das Terror und Mord. Wilhelms Schloss wurde jetzt für zwei Millionen Mark zur „Führerresidenz“ umgebaut. Die Einrichtung einschließlich der Schlosskapelle wurde herausgerissen. An der Stelle des Altars sollte der Schreibtisch Adolf Hitlers stehen, der den Bau nie betrat...

Im Februar 1945 wurde die „Festung Posen“ von der Roten Armee erobert und dabei erheblich zerstört. Mit großer Beharrlichkeit gelang es aber, die historische Altstadt und die Dom-Insel entgegen sowjetischer Architekturvorgaben detailgetreu wieder aufzubauen. Das beklemmende „Kaiserschloss“ dient heute als Kulturzentrum. Es gilt als die am besten erhaltene NS-Raumschöpfung überhaupt. Dennoch, mitten in dieser Einschüchterungsarchitektur hat man kürzlich ein modernes Cafe eingebaut. In seiner Lichtdurchlässigkeit und Offenheit erinnert es an die Architektur des Berliner Reichstagsgebäudes. Erleichtert atmeten wir auf und waren davon – wie auch von der florierenden, weltoffenen Stadt – begeistert. Daher die Empfehlung: Posen ist eine Reise wert!

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