Mönchengladbach Der letzte Vorhang fürs Stadttheater

Mönchengladbach · Theater, Schauspielhaus, Musicalbühne, Bruchbude, Werbewand – das Stadttheater an der Hindenburgstraße wurde einst als rühmendes Beispiel deutscher Nachkriegsarchitektur gefeiert. In diesem Jahr wird es vorbei sein. Elf Jahre nach der letzten Vorstellung kommt die Abrissbirne.

Stadtmitte Seit elf Jahren steht es nun leer. Es verfällt vor sich hin. Seit sieben Jahren soll es abgerissen werden. Schauspielhaus, Stadttheater, zuletzt Musicalbühne – heute eine Bruchbude, deren kurzfristige Sanierung sich nicht einmal mehr gelohnt hätte, als die Stadt vor drei Jahren nach einer Ausweichspielstätte für das Rheydter Theater gesucht hatte. "Zu teuer", beschied der damalige Bau- und Planungsdezernent Helmut Hormes. Das Stadttheater, ein Bau, der die Innenstadt sechs Jahrzehnte geprägt hat, taugt heute nur noch als Werbetafel für die Frauen-WM. In diesem Jahr soll es nun endgültig den Mönchengladbach Arcaden weichen, die der Essener Investor Mfi dort baut.

Meistersinger zur Eröffnung

Wenige Jahre nach der Gründung des Gemeinschaftstheaters Krefeld-Mönchengladbach baute auch Gladbach sein eigenes Schauspielhaus. Der Rat entschied sich im November 1955 für einen Bau nach den Plänen des Stuttgarter Architekten Paul Stohrer, und zwar auf dem Grundstück, das Robert Pferdmenges der Stadt schenkte. Stohrer schuf mit äußerst beschränkten Mitteln (3,6 Millionen Mark hatte er für den ersten Bauabschnitt zur Verfügung, die späteren Gesamtkosten beliefen sich auf 6,5 Millionen Mark) einen brauchbaren, schlichten, aber bemerkenswerten Zweckbau. Ein gutes Theater für so wenig Geld wie möglich, denn der Wohnungsbau und soziale, sportliche und kulturelle Aufgaben mussten weiter gefördert werden. Alles andere hätte im Rat keine Mehrheit gefunden. Es wurde kein bahnbrechender Bau wie in den 70ern das Museum Abteiberg. Aber dennoch funktional, schlicht, und interessant.

1956 war Baubeginn, 1958 war das Haus im Herzen der Gladbacher City fertig. Eröffnung war am 10. September 1959 mit Richard Wagners Meistersingern von Nürnberg. Später wurde der Nebenraum noch erweitert. Das markante Stadtfenster war entstanden. Das Bauwerk war ein wichtiger städtebaulicher Akzent an der Hindenburgstraße, Experten rühmten das Haus noch Jahrzehnte später als ein qualitätsvolles Beispiel deutscher Nachkriegsarchitektur.

Der letzte Vorhang der städtischen Bühnen fiel 1996. Vier weitere Jahre war der Stohrer-Bau Musicalbühne, war international zur Ausschreibung freigegeben, mal äußerte die Brauerei Hannen Interesse an dem Bau, um dort Erlebnisgastronomie und ein bisschen Kultur zu etablieren. Als die Brauer noch einmal nachrechneten, machten sie einen Rückzieher.

Das Stadttheater, der einstige Kulturtempel bot nun selbst genug Stoff für eine Tragödie. Verschiedenste Projekte wie das "Stadtfenster" (ein Einkaufszentrum) oder das Theatertor des Architekten Fritz Otten scheiterten immer wieder.

Der Schlussakt steht dem Hause nun bevor: Mfi rückt an, der Stohrer-Bau hat seine letzten Monate vor sich. Und Werbebanner sind sein letzter Vorhang.

(RP)
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