Kolumne Denkanstoß Festzeit für die Seele

Mönchengladbach · Was bleibt uns von den Ferien am meisten in Erinnerung? Das fragt sich unser Autor.

 Manchmal reichen kleine Dinge für Glücksgefühle im Urlaub.

Manchmal reichen kleine Dinge für Glücksgefühle im Urlaub.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, / den schickt er in die weite Welt“. Summen wir diese Verse von Joseph von Eichendorff beim Koffer packen? Oder kommen sie uns in den Sinn, wenn wir das Auto, den Zug, das Flugzeug besteigen, um in die Ferien zu reisen? Es würde mich mächtig wundern, denn nicht nur die Lyrik und das Volkslied haben es heute schwer, mehr noch, wir verstehen kaum noch die Erfahrungen, die mit diesen Worten ausgedrückt werden sollen: Die Reise in die weite Welt soll eine Gunst Gottes sein? Immerhin unterstützt die Sprache den Befund des Dichters auf subtile Weise, „Ferien“ kommt vom lateinischen „feriae“, was nichts anderes als Festzeit bedeutet; und wirft damit die Frage auf, wodurch diese Tage für die Seele zum Fest werden können? „Dem will er seine Wunder weisen / in Berg und Wald und Strom und Feld.“ So die Antwort von Eichendorff und mutet uns damit zu, dass wir in der Welt den Finger Gottes entdecken sollen.

Ist eine solche Sicht nicht wirklich unzeitgemäß?  Im 21. Jahrhundert ist es die „Gunst unseres Kontos“, wie oft und wohin wir verreisen. Und eine ganze Touristikindustrie weiß doch genau, was wir im Urlaub brauchen, Bespaßung und Ablenkung und am besten „all inclusive“! Doch erstaunlicherweise zeigen unsere eigenen Erinnerungen in eine ganz andere Richtung! Denn im Rückblick sind es nicht die Spielchen, zu denen uns der Animateur bewegte, nicht die Stunden in der Sonne, die wir für unsere Bräune brauchten, und auch nicht die Gänge zum Buffet, zu denen man sich selbst verführte, die in unserem Gedächtnis bleiben. Wann immer wir uns an die Ferienzeit erinnern, sind es die Augenblicke, wo wir in besonderer Weise angerührt worden sind; wo wir Glück und Gelingen, Geborgenheit und Gemeinschaft,  Verständnis und Nachsicht erfahren haben. Oder mit anderen Worten, wo unsere Seele berührt wurde. Wollen wir Ferien erleben, dann müssen wir ihren Wortsinn erfüllen und der Seele eine Festzeit bereiten.

Insofern rückt die Antwort von Eichendorff in ein neues Licht; will sie uns doch die Augen für die unzähligen Wunder in der weiten Welt öffnen, die wir in unserem Alltag so leicht übersehen. Aber wenn wir wirklich hinschauen, dann können wir nur staunen über die Einzigartigkeit und Vielfältigkeit, die Erhabenheit und Schlichtheit und nicht zuletzt die Schönheit, die uns in der Welt und in der Natur begegnen; und wie alles auf wundersame Weise miteinander verwoben und aufeinander verwiesen ist. Das Staunen erfrischt die Seele. Diese Erfrischung benötigt nicht unbedingt die Fernreise, die exotischen Orte, das außergewöhnliche Event, die weite Welt mit ihren Wundern beginnt mit dem ersten Schritt aus der Haustüre. Hinzu gesellt sich ein Zweites, die Erfahrung, dass in allen großen und kleinen Sorgen und Nöten des Lebens, wir aufgehoben, hineingewoben sind in ein großes Ganzes. Unsere Seele braucht die Gewissheit, dass sie geborgen ist, dass im Schreckenszenario der Ereignisse, die wir erleben, letztlich doch das Gute triumphiert. Und genau dies erkennen wir in den Wundern der Welt.

So mögen die Verse von Eichendorff unzeitgemäß sein, doch sind sie sicher „seelengemäß“. Daher lässt Eichendorff sein Gedicht mit Worten der Zuversicht ausklingen: „Den lieben Gott lass ich nur walten. / Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld / und Erd`und Himmel will erhalten,/ hat auch mein` Sach` aufs Best` bestellt.“ Dass uns diese Erfahrung in den vor uns liegenden Wochen erwartet und dass auf diese Weise unsere Seele eine Festzeit feiern darf, das ist mein Wunsch für uns alle!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort