Kolumne Denkanstoß Trockenes Land

Mönchengladbach · „Es wird Zeit, nach alten und neuen Quellen Ausschau zu halten“, findet unser Autor.

 Für trockene Böden reicht ein einzelner Regenschauer nicht aus.

Für trockene Böden reicht ein einzelner Regenschauer nicht aus.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Ferienzeit lädt ein, raus in die Natur zu gehen. Bei einer Wanderung durch Wälder und Felder bemerkt man schnell, wie es um unsere Böden steht. Sie sind trocken, und die Vegetation kämpft mit der anhaltenden Dürre. Trockener Boden wird hart und staubig. Mit der Zeit wird er entwöhnt, Wasser aufzunehmen. Ein einzelner Regenschauer tränkt den Boden nicht mehr, sondern fließt ab oder verdunstet.

Der trockene Boden beschäftigt mich. Machen kann ich allein daran wohl nichts. Aber ich sehe eine Chance, und die liegt im eigenen Lernen. Ich kann lernen, im Blick auf unsere Umwelt neu von mir zu denken. Vielleicht macht das ja Schule und steckt andere an. Wir Menschen können nicht länger nur unser Bedürfnis nach immer größerem Konsum in den Vordergrund stellen. Eine andere Einsicht ist gefragt. Die überkommene Sicht von Lebensqualität wird zukünftig an eine neue Vorausetzung geknüpft werden müssen. Diese Voraussetzung liegt in der unverzichtbaren Achtsamkeit im Umgang mit unserer Erde. Damit aber kommt meine Freiheit, die Freiheit des Einzelnen an eine echte Grenze. Dies darf natürlich keinesfalls das Ende der Freiheit bedeuten. Aber es bedeutet, die eigene Freiheit und Lebensgestaltung an einem neu zu sehenden Gegenüber auszurichten. Unsere Erde mit ihren endlichen Ressourcen ist eben nicht nur die lästige Begrenzung meiner Freiheit, die ich ständig zu umgehen suche. Vielmehr ist diese wunderbare Erde für mich ein wirkliches Gegenüber wie ein Partner, den es zu respektieren gilt. Die Erde fordert uns heraus, unsere Freiheit ihr gegenüber neu zu lernen. Achtsamkeit gegenüber der Erde gehört zukünftig zum eigenen Freiheitsvollzug. Spannend wird es, wenn diese eher abstrakte Erwägung konkret in meinen Alltag einziehen soll. Noch spannender wird es, wenn ich den „Selbstversuch“ eines ressourcenschonenden Lebensstils wagen würde. Vielleicht läge darin ja ein echter Gewinn an eigener Freiheit und ein möglicher Gewinn für den trockenen Boden: eine „Win-win-Situation“ also.

Der trockene Boden beschäftigt mich aber auch im übertragenen Sinne. In unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit trocknet der fruchtbare Boden einer politischen Kultur. Das macht etwas mit uns. Die Armutsgrenze sinkt weltweit, und die Lebensverhältnisse werden für viele härter. Die Überforderung von Menschen nimmt zu und zugleich das Gefühl, das bisherige Wurzeln keinen Halt mehr geben. Das politische Klima wird rauer und spiegelt eine gesunkene Hemmschwelle, seinem Gegenüber sogar offen mit Hass zu begegnen. All diese Krisenphänomene treffen auf den austrocknenden Boden der politischen Kultur. Immer schneller und einfacher lässt sich politisch wie medial Staub aufwirbeln, und Menschen fühlen sich sehr konkret bedroht und bekommen Angst. Selbst der Weg ins Schwimmbad wird dann gefühlt zum vermeintlichen Abenteuer.

Der Boden ist trocken und braucht Wasser. Es wird Zeit, nach alten wie neuen Quellen Ausschau zu halten. Die christliche Tradition weiß, dass die wichtigste Quelle in einem selbst liegt. Das Leben in einem trockenen Land ist in dieser Tradition nicht einmal unbedingt nur ein Nachteil. Erst wer den eigenen Durst wie den Durst der anderen wahrnimmt, der öffnet sich für neue Quellen gelungenen Lebens. Das Wasser des Lebens wird biblisch gesehen den Durstigen verheißen. Durstige nach wirklichem Leben gibt es heutzutage Gottseidank immer mehr. Sie finden sich quer durch die Generationen in allen Ländern, Kulturen und Religionen unserer Erde. Das trockene Land hat noch eine echte Chance.

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