Mönchengladbach Barbara Gersmann: Ich möchte das Engagement der Bürger nutzen

Mönchengladbach · Barbara Gersmann über ihre ersten Wochen als Bezirksvorsteherin Süd, Entwicklungsmöglichkeiten in Rheydt und Konflikte in der SPD.

Frau Gersmann, die ersten Monate als neue Bezirksvorsteherin Süd liegen hinter Ihnen. Was waren Ihre Hauptaufgaben? Gab es eine Art Übergabe von Ihrem Vorgänger Karl Sasserath?

Gersmann Ich habe viele lange Gespräche mit der Verwaltung, den Vereinen und Verbänden geführt. Es Antrittsbesuch zu nennen, hört sich an, als wäre ich die Bundeskanzlerin, aber im Prinzip war es das. Es war sehr interessant und die Reaktionen waren unglaublich freundlich. Ich habe gelernt, wer, wofür zuständig ist. Dass ich gerade starten konnte, als der neue Marktplatz fertig war, ist natürlich ein glücklicher Umstand. Da konnte ich viele positive Reaktionen mitnehmen. Eine klassische Übergabe gab es nicht, sie ist auch nicht üblich. Mein Vorgänger KarlSasserath war sehr bemüht und hat seine Aufgaben als Bezirksvorsteher sehr gern gemacht. Ich kann verstehen, dass es ihm noch weh tut, nicht mehr Bezirksvorsteher zu sein, aber wir beide haben ein ganz normales Arbeitsverhältnis.

Wie definieren Sie die Arbeit einer Bezirksvorsteherin?

Gersmann Ich glaube, dass ich die Aufgabe habe, zu vernetzen und die richtigen Akteure an einen Tisch zu bringen. In Rheydt gibt es einen großen Schatz an Know-how und Engagement, den möchte ich nutzen. Die Fertigstellung des Marktplatzes ist kein Endpunkt, sondern ein Meilenstein. Was wir dort in Stein gegossen haben, muss für den ganzen Stadtteil genutzt und in bürgerschaftliches Engagement umgesetzt werden. Wir haben momentan den Vorteil, dass eine sechsjährige Legislaturperiode vor uns liegt und die nächsten Wahlen mit der Landtagswahl erst 2017 anstehen. Insofern kann man in Ruhe Politik machen und auch Sachen angehen, die nicht so bequem sind. Außerdem sollte dort, wo sich alle einig sind, über Parteigrenzen hinweg an einem Strang gezogen, also konsensual gearbeitet werden.

Das Innenstadtkonzept ist fast abgearbeitet, viele Millionen Euro sind nach Rheydt geflossen: Wie muss sich Rheydt aufstellen, damit die Investitionen nachhaltig werden?

Gersmann Der Hugo-Junkers-Park ist fertiggestellt, der Marktplatz ebenso. Es folgen noch die Marktstraße und die Bahnhofstraße. Danach ist das städtebauliche Projekt abgeschlossen. Wir haben durch die Investitionen einen sehr positiven Grundtenor erreicht. Das gilt es zu nutzen. Die Idee ist ja, dass jeder staatliche Euro entsprechende private Investitionen nach sich zieht. Das ist am Marktplatz in Rheydt teilweise schon geschehen, dort wurden Häuser saniert. Das sollte sich fortsetzen, allerdings ist es schwierig bei Eigentümern, die nicht aus Rheydt kommen. Eine Immobiliengesellschaft saniert nicht unbedingt ihre Objekte, nur weil wir den Rheydter Marktplatz neu gestaltet haben. Wir müssen jetzt etwas gegen die Leerstände tun und sehen, ob wir dort auch ein passendes Umfeld z.B. für junge Kreative schaffen. Dazu muss geklärt werden, ob die Eigentümer bereit sind, beispielsweise auch niedrigere Mieten zu akzeptieren.

Viel hängt davon ab, wie der neu gestaltete Marktplatz dauerhaft platziert wird. Es gibt viel Lob für ihn, aber auch Kritik. Was muss Ihrer Meinung nach hier weiter geschehen?

Gersmann Der Marktplatz bietet einen wunderbaren Rahmen für kleinere kulturelle Veranstaltungen. Der Hugo-Junkers-Park übrigens auch. Das Theater ist nicht weit entfernt, hier kann man gemeinsam überlegen, was zu tun ist und welche Ideen es gibt. Der Marktplatz hat tatsächlich ein mediterranes Flair, das wir nutzen sollten. Es gibt auch Veranstaltungen, die sind besser auf dem kleineren und gemütlicheren Harmonieplatz aufgehoben, weil der Marktplatz zu groß ist. Ich glaube, dass z.B. der Weihnachtsmarkt auf dem Harmonieplatz eine sehr gemütliche Atmosphäre ausstrahlen wird.

Es gibt Problemgebäude in Rheydt: der Bahnhof oder Teile der Limitenstraße. Was muss da geschehen?

Gersmann Es war auf jeden Fall richtig, dass die Stadt das Gebäude an der Limitenstraße gekauft hat. Es ist zentral gelegen und man kann nun überlegen, wie man den Standort entwickeln kann. Die evangelische Kirche plant dahinter den Bau eines neuen Gemeindezentrums, sehr modern und mit viel Glas. Das ist eine gute Ergänzung zum Marktplatz. Ob das Problemhaus erhalten bleiben kann oder abgerissen wird, ist noch offen. Da wird gerade ein Gutachten erstellt. Der Bahnhof ist ein sehr wichtiges Gebäude, das Entree von Rheydt. Er liegt auf der Achse Marktplatz - Bahnhofstraße. Es gibt viele Ideen, aber man muss sehen, was realistisch umsetzbar ist. Vor allem muss man bei der Bahn dicke Bretter bohren. Die Bahn ist ein wirklich schwieriger Geschäftspartner. Aber wir müssen Gas geben.

In welche Richtung soll sich Rheydt entwickeln? Ein Studentenwohnheim wird derzeit gebaut, ein weiteres ist geplant. Sehen Sie Chancen, Studenten ganz gezielt für Rheydt zu interessieren? Und was ist mit Odenkirchen?

Gersmann Rheydt wird sicher kein typisches Studentenviertel werden, aber es wäre natürlich gut, wenn der eine oder andere bleibt und sich hier selbstständig macht. Prinzipiell würde ich aber mehr auf junge Familien, aber auch Senioren setzen. Die Familien haben die kernstädtischen Bereiche in den letzten Jahren verlassen, das ist eine Bewegung, die man umdrehen muss. Rheydt bietet alles in fußläufiger Entfernung: Einkaufsmöglichkeiten, kulturelle Angebote, Kitas, Schulen, Kirchen. Das ist ein großer Pluspunkt von Rheydt. Von Odenkirchen auch, aber dort funktioniert das schon sehr gut. Odenkirchen ist in sich sehr stabil, hat ländlich strukturierte Bereiche, relativ grün, alles gut erreichbar. Man kann immer noch etwas besser machen, aber eigentlich läuft es gut in Odenkirchen. Und der Tiergarten ist ein absolutes Highlight und muss es auch bleiben.

Die SPD hat mit Ihnen gefremdelt und Sie mit der SPD. Gibt es mittlerweile eine Annäherung?

Gersmann Man muss auch mal Streit aushalten und Konflikte austragen können. Das heißt nicht, dass man nicht hinterher zusammen ein Bier trinken kann. Wir haben zu vernünftiger Arbeit zurückgefunden. Die Stimmung ist eigentlich gut. Das mag auch daran liegen, dass der eine oder andere aufhört.

Es gibt in der Gladbacher SPD Konflikte, Lagerdenken und die Tendenz, namhafte Sozialdemokraten ins Abseits zu stellen. Braucht die SPD einen Kümmerer, der schlichtet und Konflikte bereinigt?

Gersmann Da, wo Menschen zusammen kommen, gibt es auch mal Streit. Aber ich bin optimistisch, dass sich letztendlich die Vernunft durchsetzt, auch ohne Mediator. Wir können es uns allerdings nicht leisten, kluge Köpfe ziehen zu lassen oder in die Wüste zu schicken.

Sie wären beinahe einmal Bundesvorsitzende der Jusos geworden und sind heute Bezirksvorsteherin in Rheydt: Welche politischen Karriereabsichten haben Sie noch?

Gersmann Rückblickend kann ich heute sagen, dass es für mich gut war, nicht Juso-Bundesvorsitzende geworden zu sein. Dann hätte ich nämlich nicht zwei Staatsexamen gemacht und wäre heute, selbst wenn ich im Bundestag säße, wirtschaftlich von der Partei abhängig. Das möchte ich nicht sein. Ich verdiene mein Geld als Rechtsanwältin und bin damit gut aufgestellt. Ich bleibe erst mal Bezirksvorsteherin im Ehrenamt. Ich schließe nichts aus, aber wenn ich etwas als Westfälin im Rheinland gelernt habe, dann, dass man manche Dinge auf sich zukommen lassen muss.

Dieter Weber, Gabi Peters und Angela Rietdorf führten das Gespräch.

(arie)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort