Meerbusch historisch Vom Denkmalplatz zum Spielplatz

Lank-Latum · Im Bereich Hauptstraße/Kemperalle sollte einmal das Zentrum von Lank-Latum entstehen – so hatte es die Bürgermeister Hermann Kemper und Eugen Connemann dereinst geplant.

 Diese Postkarte wurde 1940 von einer Urlauberin verschickt. Die kleinen Bäumchen sind heute wahre Riesen, der Platz dient Kindern zum Spielen.

Diese Postkarte wurde 1940 von einer Urlauberin verschickt. Die kleinen Bäumchen sind heute wahre Riesen, der Platz dient Kindern zum Spielen.

Foto: Stadtarchiv Meerbusch, Repro Kunze

Seit der Wende zum 20. Jahrhundert, als sich die 1910 erfolgte Vereinigung der Dörfer Lank und Latum abzuzeichnen begann, forcierten die Bürgermeister Hermann Kemper (1877-1908) und Eugen Connemann (1908-1934) die Bildung eines neuen Zentrums auf der „grünen Wiese“ zwischen beiden Orten. Hier entstanden E-Werk, Gaststäten, Post, Apotheke, Arztpraxis und Sparkasse. Natürlich durfte da eine neue Schule nicht fehlen. 1904 wurde in wilhelminischer Pracht der Neubau der mehrklassigen Katholischen Volksschule mit mächtigem Schweifgiebel und Turm fertig gestellt. Eine erste Erweiterung erfolgte 1914/15.

Im vorderen Gebäudeteil war die großzügige Rektorenwohnung untergebracht, der Turm bezeichnete den Haupteingang zur damaligen Dornstraße (heute Kemperallee) hin. Ebenfalls an der Dornstraße war seit 1928 ein Spritzenhaus mit Steigerturm an das Schulhaus angefügt. Hier fanden später die Berufs- und die Evangelische Volksschule und danach die Gemeindebibliothek ihr Domizil.

 Das Denkmal wurde 1938 von Nazis gestürzt und wuchtige Hammerschläge fügten den beiden Köpfen einigen Schaden zu. 1986 restaurierte die Stadt den Gedenkstein.

Das Denkmal wurde 1938 von Nazis gestürzt und wuchtige Hammerschläge fügten den beiden Köpfen einigen Schaden zu. 1986 restaurierte die Stadt den Gedenkstein.

Foto: Mike Kunze

Beiderseits der Hauptstraße war eine große Freifläche als Festplatz vorgehalten worden. Im Winkel zwischen Kemperallee und Hauptstraße wurde dann 1922 das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet. Seither sprach man vom Denkmal- oder Krieger-Ehrenplatz. Hier hielt Connemann dann auch zum Abzug der belgischen Besatzung am 31. Januar 1926 eine patriotische Rede und betonte die 1000-jährige Zugehörigkeit des Rheinlandes zu Deutschland – das Jubiläum wurde freilich 1925 vor allem rechtsrheinisch groß gefeiert.

Auf dem von Joseph Brüx geschaffenen Mahnmal sind die Namen aller Gefallenen eingemeißelt, oben zieren es die Köpfe Krieg und Sterben. Diese erregten im Dritten Reich wegen ihrer wenig heroischen Ausstrahlung und des „nicht-arischen“ Aussehens den Unmut der Nationalsozialisten, die das Monument 1938 in einer Nacht- und Nebel-Aktion umstürzten. Die einzelnen Teile wurden auf den Bauhof geschafft und überdauerten dort. 1986 ließ es die Stadt Meerbusch auf dem alten Friedhof wieder errichten.

Am linken Rand des Platzes stand ein Trafohaus, von dem aus der Strom des E-Werkes verteilt wurde. Lange wurde es nicht benötigt und schließlich in den 1970er Jahren abgerissen. Zwischen Schule und Trafohaus ist der Turm der Teloy-Mühle zu sehen. Der Müller Eduard Teloy (Teloo gesprochen) baute die „holländische“ Mühle 1822 auf der Hees in gebührendem Abstand zur damaligen Bebauung, da weder Schattenwurf noch Lärm die Einwohner belästigen sollten – im Hinblick auf heutige Windräder eine recht moderne Diskussion.

Obwohl zur Nahrungsmittelgewinnung ausgesprochen wichtig, ging der zuletzt durch einen Elektromotor unterstützte Betrieb schon 1912 zu Ende. Kurz darauf wurden die Mühlenflügel verkauft und das Gebäude begann zu verfallen. Schließlich wurden die Eingänge vermauert und im Zweiten Weltkrieg viele Holzteile verheizt. Schon in den 1950er Jahren wollte man den efeuberankten Mühlenstumpf retten und verpasste ihm ein spöttisch „Chinesenhut“ genanntes Notdach. 1981/82 wurde die mittlerweile zum Baudenkmal erklärte Ruine restauriert und als Kulturmühle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1984 konnten staunende Grundschüler aus den Klassenräumen heraus beobachten, wie Mühle ihre neuen Flügel bekam.

Der Schultrakt, in dem diese Fenster lagen, war inklusive Luftschutzkeller in den 1950er Jahren errichtet worden und versperrt seither den Blick von der Hauptstraße auf die Mühle. Die kleinen Bäumchen des Denkmalplatzes sind längst große, grüne Riesen geworden, deren dichtes Blätterdach heute einen Spielplatz beschattet, der auch vom nahen Kindergarten genutzt wird. Der ist übrigens 1938 als HJ-Heim errichtet worden. Der mittlerweile von dem unheroischen Denkmal „befreite“ Platz wurde Appellplatz. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude der katholischen Pfarre übergeben, die hier einen Kindergarten mit Jugendheim einrichtete.

Und heute ziert auch wieder ein Denkmal diesen Platz, nämlich das für die Opfer der Judenverfolgung im Dritten Reich, an dem alljährlich am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, eine Mahnwache abgehalten wird.

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