Leverkusen Zuflucht vor der Kälte

Leverkusen · In der Leverkusener Nachtunterkunft finden Wohnungslose einen Schlafplatz. Strenge Regeln sorgen für die Sicherheit aller Nutzer und einen ordentlichen Ablauf. Drogen und Alkohol sind tabu. Ein Ortstermin.

 Ein Mitarbeiter der Nachtunterkunft und zwei Nutzer der Einrichtung beim Schach. Um 23 Uhr ist strikte Nachtruhe. "Regeln müssen sein, damit hier alles funktioniert", sagen die zuständigen Mitarbeiter der Caritas.

Ein Mitarbeiter der Nachtunterkunft und zwei Nutzer der Einrichtung beim Schach. Um 23 Uhr ist strikte Nachtruhe. "Regeln müssen sein, damit hier alles funktioniert", sagen die zuständigen Mitarbeiter der Caritas.

Foto: Uwe Miserius

Auf die Frage, warum er nicht bei seinen Eltern wohnt, hat der 18-jährige Kieler keine Antwort. "Ich weiß nicht, warum — ich bin schon mit zwei Jahren ins Heim gekommen und dann von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht worden", erzählt der junge Mann. Kontakt zu seinen Eltern hat er nicht.

Zuletzt habe er in einer sozial-therapeutischen Unterkunft in Kiel gelebt und dort seinen Hauptschulabschluss nachgemacht. "Meine Sachbearbeiterin vom Jugendamt lebt in Leverkusen, und so bin ich hier gelandet", erklärt er seinen Umzug. Eine Wohnung fand der junge Arbeitslose nicht, "bisher habe ich nur Absagen erhalten." Als jüngster Wohnungsloser nutzt er derzeit die Nachtunterkunft der Caritas in Leverkusen.

Notunterkunft mit Regeln

Im Hochbunker aus dem zweiten Weltkrieg finden wohnungslose, alleinstehende Männer und Frauen für die Nacht einen Schlafplatz. Viele Nutzer seien zudem stark sucht- und psychisch krank.

Speziell für kranke Menschen ist die Übernachtung im Bunker eine Herausforderung. "Wir versuchen mit Farbe und Bildern den Bunker wohnlich zu machen, aber es ist und bleibt bedrängt und dunkel — nicht jeder hält das aus", sagt Stephanie Strieder, Fachdienstleiterin für soziale und berufliche Integration der Caritas.

Bernward Grewer, Leiter der Nachtunterkunft, arbeitet seit drei Jahren für und mit den Wohnungslosen. "Wir haben drei Bäder, zwei Aufenthaltsräume, eine Teeküche und einen Kickerraum, wo sich die Nutzer aufhalten können", sagt Grewer.

Trotzdem bleibe die Nachtunterkunft eine Notunterkunft — mit Wohnen habe das wenig zu tun, ergänzt Strieder. Um 23 Uhr ist strikte Nachtruhe. "Wir reglementieren sehr stark, anders funktioniert es nicht", bestätigt Grewer. Vor der Aufnahme wird kontrolliert: "Drogen und Alkohol sind tabu."

"Konflikte können wir trotz aller Vorsicht nicht immer vermeiden", berichtet Grewer. Die ganz schweren Auseinandersetzungen seien aber stark zurückgegangen. Das Hauptproblem sei, dass die Wohnungslosen keine Rückzugsbereiche hätten. "Nie die Möglichkeit zu haben, alleine zu sein, das können wir uns gar nicht vorstellen", sagt Strieder. Um überschüssige Energie abzubauen, schaffte das Team der Nachtunterkunft einen Boxsack an. "Das funktioniert prima, der Sack wird häufig genutzt", merkt der Leiter der Unterkunft an.

Eine weitere Neuerung ist die Lockerung des Tierverbots. "Wir haben festgestellt, dass sich die Wohnungslosen nicht von ihrem Tier trennen, auch nicht für eine Nacht", betont Stephanie Strieder. Um die Menschen aber trotzdem in die warmen Räume zu holen, erlaubte man kurzerhand Hunde.

"Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Wohnungslosen lieben Tiere, und die Anwesenheit von Hunden hat sich sehr positiv auf die Gruppe ausgewirkt — einer der Hunde durfte sogar auf dem beliebtesten Sessel sitzen", erzählt Bernhard Grewer.

Immer mehr junge Wohnungslose

Der Zuwachs an jungen Wohnungslosen sei erschreckend. Ein Drittel aller Nutzer der Nachtunterkunft sei unter 25. "Die Verelendung zu sehen, fällt oft sehr schwer, da ist es wichtig, Abstand zu halten", sagt Grewer.

"Ich bin sehr froh, dass es die Nachtunterkunft gibt. Hier ist es warm, und ich habe einen Schlafplatz", sagt der 18-jährige Kieler. Für die Zukunft hat er trotz allem klare Ziele: "Ich werde weiter nach einer Wohnung suchen." Außerdem würde er gerne als Gärtner arbeiten — "Ich bin gerne draußen an der frischen Luft und werde dreckig", sagt er und lächelt zuversichtlich.

(RP)
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