Leichlingen/Wermelskirchen Bogenschießen als Psychotherapie

Leichlingen/Wermelskirchen · Der Verein "alpha", der auch Leichlingen betreut, bietet Bogensport-Kurse für psychisch Erkrankte an. Der Bedarf steigt.

 Elke Scharff gehört zum "alpha"-Team und ist inzwischen eine begeisterte Bogenschützin.

Elke Scharff gehört zum "alpha"-Team und ist inzwischen eine begeisterte Bogenschützin.

Foto: Moll (Archiv)

Es war eine spontane Idee von Hans-Jürgen Brehm im Jahr 2009, aus der sich eine große Erfolgsgeschichte entwickelt hat: "Wir haben damals festgestellt, dass kein Betroffener, der zu uns kam, Mitglied in einem Sportverein war", erzählt der 63-Jährige rückblickend. Dabei sei Sport für alle Menschen wichtig - er gebe eine Struktur im Leben, man sei körperlich aktiv und treffe regelmäßig andere Menschen.

Brehm, der seit 1994 beim Verein "alpha" tätig ist, wollte für die Menschen in Wermelskirchen, Leichllingen und Umgebung, deren Leben durch eine psychische Erkrankung aus den Fugen geraten war, ein festes Sportangebot schaffen.

Zunächst probierte er es mit Badmintontraining und Fußballturnieren - ohne Erfolg. "Dann haben wir mit dem Bogenschießen begonnen - und das Interesse war gleich sehr groß", erinnert er sich. "In den vergangenen Jahren hat das Bogenschießen bei uns eine wahnsinnig positive Entwicklung genommen", erzählt Brehm stolz.

Das Bogenschießen ist ein Angebot des Sozialpsychiatrischen Zentrums (SPZ) von "alpha", das die Städte Wermelskirchen, Burscheid und Leichlingen abdeckt. Es ist eine Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen. "Wir organisieren Ausflüge, Disco-Abende oder eben auch Bogenschieß-Kurse", sagt Brehm, der dieses ambulante Angebot koordiniert und als Ansprechpartner im Sozialen Dienst zur Verfügung steht.

Seit 2010 hat der Verein eine Bogensportanlage in Halzenberg, aktuell gibt es 250 Aktive, die dort regelmäßig mit Pfeil und Bogen anzutreffen sind. Es sind Menschen mit und ohne Handicap. "Jeder kann Bogenschießen. Es ist eine Mischung aus Entspannung und Anspannung", erklärt der "alpha"-Mitarbeiter. Man kann dabei sehr gut zur Ruhe kommen und abschalten, sich auf das Ziel, das zu treffen ist, konzentrieren und so alle unterbewussten Gedanken, die viele Menschen belasten, verdrängen. "Man findet zu sich selbst", sagt Brehm.

Das Ziel von ,alpha': "Jeder Mensch, der Hilfe benötigt, soll einen Platz zum Leben finden." Und der Bedarf ist enorm, wie Brehm betont. "Die Zahl der Beratungsfälle nimmt definitiv zu", sagt er. Aktuell werden im Durchschnitt 180 Betroffene im Sozialen Dienst betreut, vor 20 Jahren seien es etwa 40 gewesen. "Jedes Jahre kommen etwa 100 Neue hinzu", sagt Brehm. Auffällig: "Mittlerweile gehen die Menschen offener mit einer psychischen Erkrankung um."

Das Bogensport-Angebot ist ein wichtiger Pfeiler des SPZ. 30 Ehrenamtler sind regelmäßig im Einsatz, sonst würde es nicht funktionieren. Für die Zukunft hat Brehm einen großen Traum: Er möchte einen barrierefreien Bogenparcours errichten. Dafür sucht "alpha" dringend eine passende Fläche, bislang noch ohne Erfolg. Er gibt die Hoffnung aber noch nicht auf.

(ser)
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