Der Sturm aufs Rathaus wurde erst mit List, dann mit Gewalt ausgetragen. Vorhut des Prinzenpaares Andreas II. und Claudia II. (Dams) waren Prinzengarde und Leibgarde der Prinzessin. Die Sturmtruppen gaben sich friedlich, lächelten, winkten und täuschten so über die Eroberungspläne hinweg.

Die Rathausspitze drinnen war gewarnt, offenbar gab es irgendwann früher schon einmal einen Rathaussturm. Oberbürgermeister Frank Meyer kündigte an, die italienische Party der Seinen mit Pizza und „dem einen oder anderen Gläschen Chianti“ fortzuführen, während sein Adlatus dezernentus Markus der Schöne, als Monsignore gewandet, die Menge und sich selbst unablässig segnete.

Dann aber kam das Verhängnis über das Rathaus: Gabriele Leigraf als Kommandeuse der Alten Weiber probierte es erst mit einem Sturmlied auf die Melodie von „Wenn bei Capri“ und dem Text: „Wenn im Rathaus die gute Laune in den Keller sinkt“ und dem Refrain „Bello, bello, bello Frankie/ der Schlüssel kommt zurück, Mittwoch früh“. Meyer bekräftigte, keinesfalls zu kapitulieren zu wollen. Er und seine Getreuen legten vom Rathausbalkon mit Konfetti-Kanonen, schlank wie eine Winchester, auf den Platz an. Meyers Kanone zündet zunächst nicht, was Leigraf für psychologische Kriegsführung nutzte: „Kann’ste das auch nicht?“, rief sie ihm zu. Er konnte doch. Es knallte.

Dennoch war es zu spät. Garde, Westgarde, Prinzenpaar und Alte Weiber stürmten das Rathaus, wo sie umgehend vom närrischen Treiben verschlungen wurden.

Vor dem Festzelt auf dem historischen Uerdinger Marktplatz musterte eine Flaschensammlerin mit wachem Blick das bunte Geschehen. Einige Jugendliche liefen zu ihr und händigten ihr wohlerzogen die geleerte Dose oder Flasche aus, was mit einem artigen Dankeschön! belohnt wurde. Ein Kontrast zu der Absage der Jugendparty „Feiern ohne Reihern“ am Karnevalsfreitag. Die alkoholisierte Szene vor dem Festzelt hatte eine Unterbrechung für ein Jahr nahegelegt. Die Karnevalisten des Karnevalszugverein Uerdingen wollen in dieser Zeit herausfinden, was man den Jugendlichen anbieten sollte, um sie von einem übermäßigen Alkoholkonsum abzuhalten, wie Organisator Thorsten Süllwold erklärte. Der Drang ins Festzelt war ungebrochen. An der Kasse stand hinter einem Indianer ganz in die Dortmunder Farben gehüllt Marco Reus, vor ihm ein Fantasy-König, der Grotifant, verschiedene Bienen, Löwen, Bären und sogar ein paar alte Wiewer. Der Drang zum Kostüm hat deutlich zugenommen.

Drinnen im mittlerweile rappelvollen Festzelt zog nach Kinderprinzessin Alisha I das Uerdinger Prinzenpaar Andreas I und Bettina II mit den Garden der KG’s Op de Höh und Braunschweiger Narrenzunft unter einem Konfettiregen auf. Überraschungsprinz Andreas erinnerte in seiner Rede daran, wie er am 17. November 2018 im Zelt feierte und von seinen Freunden plötzlich mit den prinzlichen Insignien geschmückt und zum Prinzen ausgerufen wurde.

Auch das Rathaus Bockum fiel in Narrenhand. „Hier in Bockum ist die Welt der Glückseligkeit“, sagt Polizist Norbert Reif. Man freue sich jedes Jahr auf die gute Stimmung an Altweiber im Rathaus. „Die Auseinandersetzung mit den Bockumer Weibern ist jedes Jahr eine Herausforderung“, sagt Bezirksvorsteher Wolfgang Merkel, der zum fünften Mal versucht, sich gegen die Frauengruppe durchzusetzen. Er schlug vor, den Weibern das Rathaus an den stillen Feiertagen zu überlassen. Der Vorschlag wurde mit Buhrufen abgelehnt, und so gab sich der Bezirksvorsteher geschlagen. „Es ist ja immer schwierig, mit Frauen zu verhandeln“, sagt er. Mit ein paar Minuten Verspätung ging die Party im geschmückten Rathaus nach 11.11 Uhr erst richtig los, und die Weiber sangen lauthals ihr Lied „Ja wir sind Bockumer Mädsches“.

Von Piraten über Micky Mouse, Hippie oder einfach als alte Weiber war an diesem Vormittag jede verrückte Verkleidung vertreten. Man sei froh, dass es jedes Jahr eine friedliche und fröhliche Veranstaltung sei, äußert sich eine Gruppe von Stammgästen. Auch das Wetter spielte den Karnevalisten an diesem Tag in die Karten. Dicht gedrängt feierte das närrische Volk dennoch seinen Triumph im Rathaus.