Museum Voorlinden Niederländer entdecken Adolf Luther zweimal

Krefeld · Eine solch künstlerische Wertschätzung erfahren nicht viele: Das niederländische Museum Voorlinden in Wassenaar nahe der Universitätsstadt Leiden zeigt Objekte des Krefelders Adolf Luther parallel in gleich zwei aktuellen Ausstellungen. Das erst vor drei Jahren durch König Willem-Alexander eröffnete Haus inmitten eines historischen Parks präsentiert Luthers Lichtobjekte in den Ausstellungen „Less is more“ und „Rhapsody in blue“.

 Hohlspiegelobjekte des Krefelder Künstlers Adolf Luther sind gleich in zwei aktuellen Ausstellungen im niederländischen Museum Voorlinden zu sehen.

Hohlspiegelobjekte des Krefelder Künstlers Adolf Luther sind gleich in zwei aktuellen Ausstellungen im niederländischen Museum Voorlinden zu sehen.

Foto: Norbert Stirken

Niederländer haben einen anderen Umgang mit Kunst. Ein Museum ist kein Ort der Andacht und des Flüsterns. Der Umgang mit den gezeigten  Arbeiten ist unkompliziert und direkt. Dem Krefelder Adolf Luther würde es gefallen, wie die Besucher des Museums Voorlinden in Wassenaar nahe der Universitätsstadt Leiden auf seine Licht- und Spiegelobjekte reagieren. Der 1990 verstorbene ehemalige Richter genießt das Privileg der Kuratoren als deutscher Vertreter der Zero-Bewegung für die bis November dauernde Ausstellung „Less is more“ (Weniger ist mehr) ausgewählt worden zu sein. Es sind nicht die berühmten Namen aus Düsseldorf wie Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker, die in dem neuen Millionenbau stellvertretend für den künstlerischen Neubeginn in den 1960er Jahren stehen.

Luthers rund vier Quadratmeter großes Objekt aus 121 konkaven – nach innen gebogenen – Linsen animiert die Besucher zu abenteuerlichen, an Yoga erinnernde Verrenkungen vor der Spiegelfläche. Annäherung und Entfernung, Vorbeigehen und Abtauchen steht für den spielerischen und freudvollen Umgang mit Luthers Arbeit. Der Miterfinder der Optical Art inszeniert Spiegelbilder und Lichtbrechung zu einem unterhaltsamen Konzept. Den vielfältigen Variationen liegt ein schlichter Gedanke zugrunde. Hell und dunkel, Licht, Farbe und spiegelnde Verzerrung ziehen den Betrachter in den Bann, fesseln ihn und animieren ihn gleichermaßen. Es sind im Grund banale Spiegel, die dem Betrachter als Zeitvertreib und Inspiration genügen. Damit triff Luther den Kern des „Weniger ist mehr“.

Die Kuratoren beschreiben das Spannungsfeld als Fragenkomplex mit Antworten: „Wie ist es möglich, dass wir uns im Westen - zu einer Zeit, in der wir den besten Lebensstandard aller Zeiten haben - nach mehr sehnen? Die Welt kommt 24 Stunden am Tag über unser Smartphone an. Eine Fülle von Reizen ist das Ergebnis. Wir sind immer auf Empfang. Wir wissen nicht, was wir damit machen sollen. Die Zufriedenheit ist nur von kurzer Dauer und die Leere bleibt bestehen.

 Das Museum Voorlinden in Wassenaar bei Leiden ist erst vor wenigen Jahren Gebaut und durch den niederländischen König Willem-Alexander eröffnet worden.

Das Museum Voorlinden in Wassenaar bei Leiden ist erst vor wenigen Jahren Gebaut und durch den niederländischen König Willem-Alexander eröffnet worden.

Foto: Museum Voorlinden/Pietro Savorelli

Eine Gegenbewegung sei auf dem Vormarsch. Köche befürworteten die einfache Küche. Bereinigungsgurus schrieben Bücher voller Tipps zum Entspannen. Die Tiny House-Bewegung werde immer größer. Der Mensch  bekomme einen Sinn durch das Streben nach null Abfall. Minimalismus scheine der neue Lebensstil zu sein. „Wir sehen diesen Trend auch in der Kunstwelt. Für Strömungen aus den 1960er Jahren wie Minimal Art und Zero wird erneut Aufmerksamkeit auf sich gezogen.“ Heutzutage – mehr als ein halbes Jahrhundert später – griffen Künstler erneut auf minimalistische Prinzipien wie Wiederverwendung, Organisation und Reduktion zurück. Sie seien Künstler, die am Vorabend einer neuen Ära die Möglichkeit böten, das Leben mit weniger zu gestalten. „Unsere Ausstellung zeigt, wie Künstler auf das Wesentliche zurückgreifen: einen neuen Nullpunkt“, erklären die Ausstellungsmacher.

 Luthers Spiegelobjekt zeigt ständig neue Motive.

Luthers Spiegelobjekt zeigt ständig neue Motive.

Foto: Norbert Stirken

Neben den Arbeiten Adolf Luthers sind Werke von Jan Schoonhoven, Piero Manzoni, Ann Veronica Janssens, Jan Henderikse, Daniel Buren, Liza Lou, Pascale Marthine Tayou, Alicja Kwade, Eva Rothschild, Miroslaw Balka, Kishio Suga und Xiao Yu zu sehen.

 Das Spiegelobjekt Luthers verändert sein Bild.

Das Spiegelobjekt Luthers verändert sein Bild.

Foto: Norbert Stirken

Gerade zu Ende gegangen ist die parallele Ausstellung „Rhapsody in Blue“, zu der Luther ein etwa 40 Quadratzentimeter großes Spiegelobjekt beisteuerte. Das Besondere: Die Lichtreflexe erscheinen in einem milchigen Blau. Als erzählendes Gedicht in verschiedenen Blautönen werden Dutzende Werke aus der Voorlinden-Sammlung zusammen gezeigt. Der Titel „Rhapsody in Blue“ bezieht sich auf das Musikstück des amerikanischen Komponisten George Gershwin (1898-1937) aus dem Jahr 1924. Ein musikalisches Kaleidoskop, in dem er den Rhythmus und die Melodie des Jazz mit Elementen der klassischen Musik verbindet. Neben der Einteilung in Chronologie, Strömungen, Stile oder Disziplin war in diesen Räumen eine Auswahl aus der Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst in Blautönen dargestellt worden. Dies schaffte eine neue Perspektive auf einzelne Werke – darunter auch ein Korpus von Yves Klein und ein Frühwerk Piet Mondrians.

 Struktur in Weiß (1970) von Jan Schoonhoven.

Struktur in Weiß (1970) von Jan Schoonhoven.

Foto: Norbert Stirken

Wo Luther war, da war sein langjähriger Freund und Künstlerkollege Herbert Zangs oft nicht weit. Das gilt auch für die Arbeiten der beiden. Diesmal ist das nicht anderes, auch wenn Zangs gleichsam nur im Geiste erscheint. So genannte Verweißungen waren unter anderem das Thema des Lebemanns und Provokateurs. Mit seiner Erweiterung des Kunstbegriffs und der Übermalung von Alltagsgegenstanden mit der Farbe Weiß in den 1950er Jahren öffnete er Tore, die sich andere zunutze machten. Im Museum Voorlinden sind weißfarbene strukturierte Oberflächen von Piero Manzoni und Jan Schoonhoven zu sehen. Kunst wie von Zangs, aber zehn bis 20 Jahre später erstellt.

 Spielerische Objekte sind in der Ausstellung „Less is more“ zu sehen.

Spielerische Objekte sind in der Ausstellung „Less is more“ zu sehen.

Foto: Norbert Stirken

Weggefährte Luther ist 1912 in Uerdingen geboren. Er studiert in Bonn Rechtswissenschaften, promovierte und arbeitet bis 1947 als Richter. Danach widmete er sich ganz seinem künstlerischen Tun. Seit 1958 beschäftigte er sich mit den Einflüssen des Lichts in seinen energetisch-optischen Eigenschaften. Seit Beginn der 1970er Jahre bezog er auch Laserstrahlen in seine Arbeit ein. Bekannt wurde er vor allem mit seinen Hohlspiegelobjekten, die er unter anderem für die Olympischen Spiele 1972 in München, fürs Kanzleramt Bonn, die Tonhalle in Düsseldorf und das Bundestagsgebäude Altes Wasserwerk in Bonn fertigte. 1979 wurde ihm in Nordrhein-Westfalen der Professorentitel verliehen. 1990, in seinem Todesjahr, wurde er Ehrenbürger seiner Heimatstadt Krefeld.

Luther war einer der Hauptvertreter der kinetischen Kunst und Optical Art. Er nutzte die Lichtbrechung und Spiegelungseffekte, um eine spannende Immaterialität zu erzeugen. Bekannt wurde er mit seinem 1967 entstandenen Raum mit fokussierendem Licht in Rauch. Präsent in der Öffentlichkeit ist er vor allem durch seine Hohlspiegelobjekte und in Krefeld durch die „Linsenallee“ auf dem Ostwall.

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