Krefeld Halbzeit

Krefeld · Frank Meyer wurde im September 2015 zum Oberbürgermeister gewählt - im März ist die Hälfte der Legislaturperiode um. Wo steht er, wo Krefeld?

 Frank Meyer; das Foto zeigt ihn bei der Veranstaltung "Kultur trifft Sport" im Foyer des Theaters im Oktober 2017.

Frank Meyer; das Foto zeigt ihn bei der Veranstaltung "Kultur trifft Sport" im Foyer des Theaters im Oktober 2017.

Foto: Thomas Lammertz

Halbzeit also. Liest man die politischen Signale, hat die nächste Phase der ersten Legislaturperiode von Frank Meyer bereits begonnen: Der Ton Meyer gegenüber wird rauer, fordernder. Selbst die auf Diplomatendeutsch gepolte IHK wählte letztens eine für ihre Verhältnisse fast ruppige Formulierung: Meyer, so sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz im RP-Interview, müsse, was Wirtschaftsfreundlichkeit angeht, nun auch liefern. Wo steht Krefeld, wo steht Meyer, welche Überschrift trägt die erste Halbzeit seiner Amtszeit? Bis hierhin gilt: Frank Meyer ist der Mr. Fortune unter Krefelds Oberbürgermeistern.

Es läuft gut für ihn, denn es läuft zurzeit gut für Krefeld. Er hat nicht gepatzt. Es gibt nicht das eine griffige Angriffsthema - für echte Polemik gegen Meyer fehlt die eine Zinne, auf die man sich einschießen könnte. Kritik ergeht sich bislang in persönlichen Antipathien oder erschöpft sich in Formulierungen wie "zu wenig" oder "zu langsam".

Meyers politischer Hauptgegner CDU nimmt ihn mit erst langsam anschwellender Konsequenz ins Visier. Zuletzt hat die CDU-Landtagsabgeordnete Britta Oellers wirtschaftspolitische Kritik an Meyers neuem Koordinator gegen Kinderarmut geübt. Das war noch ein Stich mit dem Degen und nicht zu vergleichen mit den Knüppeleien im Rat unter den alten Kämpen Hahnen und Fabel. Will sagen: Meyer profitiert massiv vom neuen Geist der Zusammenarbeit zwischen SPD und CDU. Die Sanierungserfolge im Haushalt sind zur Hälfte Erfolge der CDU - sie fallen aber ganz auf die Haben-Seite des Oberbürgermeisters. Es ist wie bei Fußballtrainern: Die müssen die Tore ja auch nicht selber schießen, um zu glänzen. Krefeld geht es im Ganzen besser. Haushaltspolitisch zum einen, aber auch wegen des Geldsegens aus dem Programm "Gute Schule 2020".

So hat Meyer Glück, aber es ist auch das Glück des Tüchtigen. Seine SPD ist immer noch bestens sortiert. Anders als in Berlin präsentieren sich die Krefelder Genossen dort, wo sie ihr Schicksal in der Hand haben, gut aufgestellt. Von dieser Geschlossenheit konnte ein Gregor Kathstede nur träumen.

Meyer bleibt ein guter Kommunikator, und das, obwohl er kein Kumpel-Typ ist. Meyer ist distinguiert, kontrolliert und trotz der sozialdemokratischen Sozialisation eher ein "Freiherr vom" für den Fünf-Uhr-Tee als ein "Jupp Schmitz" von nebenan für drei schnelle Korn mit zwei Frikos. Dennoch: Wo Meyer Reden hält, macht er dies tadellos. Er erfüllt diesen leutseligen Teil seines Amtes stilsicher, also: Krefelds oberster Händeschüttler, Grußwortsprecher und Gebäude-Eröffner zu sein. Die Präsenz in der Bürgerschaft gehört zu den wichtigsten Pfunden, mit denen ein Oberbürgermeister wuchern kann. Auch: für die Wiederwahl. Viel Geschick beweist Meyer als Leiter der Ratssitzungen. Wenn er Konflikte moderiert, den Sinn von Vorschriften erläutert, deeskalierend und weitertreibend agiert - dann ist er wirklich gut, da merkt man: Jemand hat die innere Konstruktion seines Amtes verstanden. Das ist nicht wenig und schon gar nicht selbstverständlich. Er hat allerdings auch noch keine wirklich großen Konflikte durchstehen müssen. Zum Glück. Der Tiefpunkt der jüngeren Ratsgeschichte war jene Sitzung im Mai 2015, die unter dem Druck von 350 Störern abgebrochen wurde. Es ging um die Abschiebung von Adnan Harb. Der Pöbel hatte gesiegt und ein Verfassungsorgan in die Knie gezwungen. Das war eine Niederlage der Demokratie. Meyer ist auch in der Präsentation seiner Projekte geschickt. Zu seinen Wunderwaffen zählen seine Koordinatoren. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit stellte er einen Flüchtlingskoordinator ein und verkündete fortan, nun kehre endlich Ordnung und Struktur in das Krefelder Flüchtlingswesen ein. Die faktischen Erfolge dieses Amtes lassen sich schwer messen, zumal ein Großteil der Arbeit zuvor unter tatsächlich chaotischen Umständen geleistet wurde - nur dass das Chaos nicht von Krefeld, sondern von Berlin und dem Land ausging. Als Meyers Flüchtlingskoordinator auf dem Plan erschien, war vieles bereits angelaufen, vorsortiert und geschafft. Dennoch: Die Installation dieses Koordinators war ein geschickter Schachzug.

Jüngster Koordinator ist der gegen Kinderarmut, vorgestellt in dieser Woche. Wieder wird sich schwerlich messen lassen, was dieses Amt real bewirkt. Die harten Stellschrauben im Kampf gegen Kinderarmut sind wirtschafts- und bildungspolitischer Natur. Das beste Mittel gegen Kinderarmut sind Jobs für die Eltern; und schwierige Familien brauchen gute Sozialarbeiter, gute Schulen und ausreichend Lehrer. Lauter Dinge, die die Stadt nicht in der Hand hat. Nun soll eine kommunale Stelle private Mittel zur Betreuung von Familien sammeln. Unabhängig von der Wirkung: Was daran politisch zählt, ist die schöne Geste. Meyer hat sie etwa zur Hälfte seiner Amtszeit platziert. Das passt zu den härter werdenden Angriffen auf ihn. Er pariert, darin hellwach für die Zeichen der Zeit. Erste Vorboten des nächsten Wahlkampfes ziehen herauf.

Die zweite Hälfte seiner Amtszeit wird von Großprojekten in der Verwaltung geprägt sein: der Umbau der Ausländerbehörde zu einer Behörde, die ja für mehr Willkommenskultur stehen soll, und die Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AÖR).

Man darf gespannt sein, ob eine Behörde von Amts wegen Willkommenskultur pflegen kann und darf oder nicht die Behörde bleibt, die sie war und sein soll: Pflegerin deutscher Ausländergesetze, mit der Härte, die dazu immer auch nötig ist.

Die AÖR-Gründung gilt als größte Verwaltungsreform seit Jahrzehnten und soll die Behördenarbeit effektiver machen. Wer die Ängste der Mitarbeiter nur im Ansatz wahrnimmt, der weiß, was das für ein Projekt ist. Hier ist Meyer wirklich gefordert.

Spürbar wächst die Ungeduld in der Wirtschaft: Die Verwaltung soll endlich investorenfreundlicher werden. Die Forderung der IHK, die Stadt solle sich einer Zertifizierung über Wirtschaftsfreundlichkeit stellen, steht.

Schwellenzeit also: Meyer wird noch zeigen müssen, in welchem Maße er Macherqualitäten hat. Die erste Halbzeit jedenfalls geht an ihn.

(RP)
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