Bericht aus der Drogenarbeit in Krefeld Eine traurige Geschichte

Krefeld · Marianne Eikermann berichtet, warum eine junge Mutter trotz Hilfen nicht von der Drogensucht loskommt.

 Während ihrer Zeit als Familienhelferin hat Marianne Eikermann einige junge drogenabhängige Mütter betreut.

Während ihrer Zeit als Familienhelferin hat Marianne Eikermann einige junge drogenabhängige Mütter betreut.

Foto: T.L.

Wenn Drogenabhängige zurück ins drogenfreie Leben wollen, müssen sie nicht nur ihre Sucht bekämpfen. Für den erfolgreichen Ausstieg ist unbedingt auch ein funktionierendes soziales Netz notwendig. Gemeint sind nicht Streetworker oder Beratungsstellen, sondern die eigenen Kontakte zum normalen Leben. Weil die oft nicht vorhanden sind, scheitern viele Süchtige und kehren irgendwann in das Drogenmilieu zurück. Das zumindest ist die Erfahrung von Marianne Eikermann. "Nicht die Entgiftung ist das Problem. Es fehlen die Anbindungen an das normale Leben durch Freunde, Familie oder Beruf."

Während ihrer Zeit als Familienhelferin hat Marianne Eikermann einige junge drogenabhängige Mütter betreut; um ihre Kinder behalten zu dürfen, haben die Frauen oft über Methadonprogramme den Ausstieg versucht. Im Rahmen der Substitution bekamen sie ihre tägliche Ration an Ersatzdrogen, wurden dadurch unabhängig von dem "24 Stunden-Job der Geld- und Drogenbeschaffung" und konnten sich wieder um alltägliche Dinge kümmern. "Für eine gewisse Zeit klappte das", sagt Marianne Eikermann.

Zuletzt betreute sie eine 24-jährige Mutter von zwei Kindern, deren Entwicklung sie als "typisch" bezeichnet, und die inzwischen wieder ins Milieu zurückgekehrt ist. Engmaschig von einer Sozialpädagogin und der Familienhelferin betreut, hatte die Frau sich zunächst an alle Auflagen ihrer Betreuer gehalten. Dazu gehörte die strikte Meidung der Szeneplätze und das absolute Konsumverbot von stimulierenden Substanzen (Beigebrauch).

Durch die Aussicht, zumindest ihr Baby im Falle einer erfolgreichen Substitution behalten zu dürfen, war die junge Frau für einen erfolgreichen Drogenausstieg hochmotiviert. "Sie holte sich pünktlich ihr Methadon, saß mit ihrem Baby zu Hause, hielt Termine bei ihren Betreuern ein und besuchte gelegentlich Cafés der Suchthilfe," berichtet Marianne Eikermann.

Für Außenstehende kaum zu ermessen, bedeute jeder einzelne dieser Schritte bei der Arbeit mit Süchtigen bereits einen Erfolg und sei Ausdruck einer hart erarbeiteten Vertrauensbasis zwischen der Abhängigen und ihren Helfern. Beobachtern sei die Wichtigkeit dieses Verhältnisses oft nicht einleuchtend, aber es gelte: Der Betreuer ist nicht Aufpasser sondern Vertrauensperson. "Ohne Vertrauen läuft gar nichts ; das zu erlangen ist Knochenarbeit."

Gereicht haben die günstigen Voraussetzungen auch in diesem Falle nicht. "So eng professionelle Unterstützung auch angelegt ist, es gibt zwischendurch immer Zeiten des Leerlaufs, die zu einem Alltag dazugehören", und das sind laut Frau Eikermann die schwierigen Phasen des Ausstiegs. "Professionelle Hilfe gibt es genug, aber die wirklich emotionale Ebene durch Kontakte mit Familie und Freunde fehlt den Aussteigern." Häufig stammen die Abhängigen bereits aus zerrütteten Verhältnissen, oder aber die Familien haben in ihrer Verzweiflung irgendwann resigniert und zum Selbstschutz die Verbindung abgebrochen. Freunden aus der Szene muss ausgewichen werden, weil sie den Weg in die eigene Drogenabstinenz gefährden. "Die Gruppe, die früher mal Sicherheit gegeben hat, muss gemieden werden, und die Kraft für den Aufbau eines neuen und drogenfreien sozialen Netzwerkes fehlte noch."

Die Fragen nach dem emotionalen Sicherheitsnetz sind für die Aussteiger von zentraler Wichtigkeit. In unzähligen Internetforen berichten ehemals Abhängige über ihre Erfahrungen und suchen Betroffene Antworten auf die Fragen, mit denen auch Marianne Eikermann immer wieder konfrontiert wird: "Plötzlich bist du clean — und dann? Wer soll die Leere füllen? Keiner fängt dich auf, keiner bestärkt dich, niemand hilft bei der Suche nach einem neuen Umfeld." Immer wieder sieht die Familienhelferin Aussteigerinnen an dieser Stelle scheitern.

Aber sie hat auch Verständnis für den skeptischen Umgang mit ihnen. "Jeder zuckt natürlich zurück. Welcher Arbeitgeber will schon eine Frau einstellen, die sich mit ihrer Drogengeschichte outet? Niemand möchte, dass der Sohn eine Freundin mit nach Hause bringt, die mal an der Nadel gehangen hat. Da herrscht eine verständliche Zurückhaltung."

Im Falle der 24-Jährigen waren die Grundvoraussetzungen für die Rückkehr ins drogenfreie Leben gut. Doch trotz hoher eigener Ausstiegsmotivation und angenommener professioneller Hilfe hat sie den Sprung nicht geschafft. An das Verbot des Beigebrauchs hat sie sich nach einigen Monaten nicht mehr gehalten und musste daher ihr Baby wieder abgeben. Weil sie merkte, dass sie ohne ärztliche Unterstützung den Ausstieg nicht schaffen würde, hat sie sich zum Entzug in eine Klinik einweisen lassen, brach aber die Therapie ab und kehrte in die Drogenszene zurück. Ihre ehemaligen Betreuer wissen nicht, wo sie sich heute aufhält.

(RP)
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