Rp-Serie Mein Büdchen (4) Ottos Kiosk verwöhnt die Kunden

Hilden · Otto Hedrich ist 70 Jahre alt, aber er denkt noch lange nicht ans Aufhören. An seinem Büdchen an der Walder Straße decken sich Schüler und Krankenhausbesucher mit Süßigkeiten ein. Berufspendler trinken bei ihm Kaffee und nach der Arbeit auch gerne mal ein Bier.

 Otto Hedrich mit seinen langjährigen Mitarbeiterinnen Christa Leetink (M) und Astrid Steven.

Otto Hedrich mit seinen langjährigen Mitarbeiterinnen Christa Leetink (M) und Astrid Steven.

Foto: Olaf Staschik

Es ist 16 Uhr. Die Schüler des benachbarten Gymnasiums kommen auf dem Nachhauseweg bei "Otto" vorbei. "Ich möchte Colaflaschen haben", sagt ein vielleicht 12-jähriges Mädchen und legt 15 Cent auf den Tisch. Sie bekommt ihre Weingummis. Ein Junge kauft sich eine Tütensuppe für 50 Cent. Der Kiosk hat mehrere Sorten im Angebot. "Das sind die Kinder von berufstätigen Eltern, die sich nach der Schule selbst verpflegen", weiß Hedrich. Ein erwachsener Kunde verlangt Zigaretten und eine Briefmarke. "Das macht fünf Mäuse", scherzt der Kioskbesitzer, den seine Stammkunden nur "Otto" nennen.

Der eine kauft für fünf Euro ein, der andere für 7,50 Euro — es läppert sich, denn der Kundenstrom reißt nicht ab. "Man muss in dieser Branche Verständnis für den Kunden haben", erklärt Hedrich ganz ernsthaft, und man sieht schnell, dass er in seinem Job der Richtige ist.

"Ich habe am 1. April 1969 hier angefangen und meine Frau Ursula stand vorne im Blumenladen", erzählt der gelernte Schreiner. Nach einiger Zeit merkten sie, dass sich mit dem Büdchen mehr Geld verdienen ließ, als mit Blumen. Deshalb wurde das Ladenlokal vermietet und die Hedrichs standen beide im Kiosk. Das Ehepaar und die beiden Kinder konnten von den Einkünften leben. "Man muss Eigentum haben und einen guten Standort", erklärt der Trinkhallenbesitzer.

Hedrich, der schon seit einigen Jahren verwitwet ist, hat beides. "Ich habe viel Laufkundschaft vom Krankenhaus, die wollen Traubensaft für Tante Lisbeth oder Süßigkeiten. Meine Stammkunden arbeiten bei der Feuerwehr, der Stadtverwaltung oder im Krankenhaus. Außerdem kommen die Schüler vor und nach der Schule hier vorbei und kaufen Süßes."

Otto Hedrich teilt sich die Arbeit mit zwei Mitarbeiterinnen. Christa Leetings hatte früher selbst ein Büdchen: "Sie ist bestimmt schon 15 Jahre bei mir und Astrid Steven be-stimmt seit sieben Jahren." Er selbst macht immer die Frühschicht. Ab 6 Uhr morgens kocht er Kaffee, den er für 75 Cent pro Tasse abgibt. Morgens findet der Muntermacher rei-ßenden Absatz.

Von 14 bis 16 Uhr macht er "Augenkosmetik", um am Nachmittag wieder fit zu sein. Dann bevorzugen viele seiner männlichen Kunden Bier, das Hedrich als "Tageskaltschale" über den Verkaufstresen reicht. Mehrere Männer nehmen das kühle Getränk und verschwinden damit hinterm Haus. Otto Hedrich betreibt hinter dem Kiosk eine Art Biergarten. "Im Sommer stelle ich Stühle auf und einen Tisch und dann können die Leute da sitzen." Den Stammkunden gefällt das. Ein Kunde kommt offenbar regelmäßig vorbei, um sich zwei Schnäpse einzuverleiben. Der Büdchenchef stellt sie schon im Kiosk bereit, wenn er den Mann von weitem sieht.

Heute will der Stammkunde alles über den Überfall wissen, bei dem Otto Hedrich mehrere hundert Euro geraubt worden sind. "Ich glaube, das waren Besucher der Spielhalle. Vielleicht kannten sie sich sogar", erzählt der Geschädigte. Ein Mann hatte einem anderen ein Messer an die Kehle gehalten und den Trinkhallenbesitzer genötigt, seine Einnahmen herauszugeben. Hedrich und sein Kunde fachsimpeln noch eine Weile über den Räuber und anschließend über Fußball.

Dann bekennt der Kunde: "Otto, ich habe meine Brieftasche vergessen." —"Das macht nichts", findet "Otto" und schreibt an. Er weiß, dass er sein Geld später bekommen wird. Man kennt sich eben. Auch die nächste Kundin zählt zu den Stammkunden: "Die kauft immer viel Süßigkeiten. Annika Thoms ersteht 20 saure Herzen und zwei große Tüten lose Süßigkeiten, die Hedrich selbst zusammenstellt und dann für 2,50 Euro pro Tüte verkauft. Heute verrät die Frau, was sie mit all den Leckereien macht. "Eine Freundin von mir ist an die Ostsee gezogen, da gibt es keine Trinkhallen. Deswegen schicke ich ihr regelmäßig Süßigkeiten vom Büdchen. Nur die Herzen sind für mich." Der Tag im Kiosk nähert sich seinem Ende. Heute macht Otto Hedrich pünktlich Schluss. Er will am Abend Fußball gucken.

(RP/ac)
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