Hilden Lebensspuren nachgezeichnet

Düsseldorf · Arbeitskreis-Mitglied Karin Marquardt überreichte Angehörigen der in Auschwitz ermordeten Hildener ihre Dokumentation "Stolpersteine für Rolf und Henry Bernstein", die ab September im Handel erhältlich sein wird.

Gebundene Geschichte zum Nachlesen und gleichzeitig Zeitzeugen vor Ort: Das ist zum Thema Holocaust nicht selbstverständlich. Im Stadtarchiv Hilden konnten gestern Vertreter der Aktion "Stolpersteine", die Familie Eichenwald und Gay Lamac aus den USA sowie Thea Blankenstein aus den Niederlanden eine Dokumentation ihrer eigenen Geschichte in Augenschein nehmen. Karin Marquardt, eine der Mitbegründerinnen der Aktion gegen das Vergessen, hat in Zusammenarbeit mit Angehörigen, den Mitarbeitern des Stadtarchivs sowie hiesigen Schülern und Lehrern eine beeindruckende Dokumentation der tragischen Familiengeschichte zusammengestellt.

Skepsis vor dem ersten Besuch

Noch vor drei Jahren, bei seinem ersten Besuch in Hilden, hatte Gary Eichenwald größte Bedenken, aus den USA in die alte Heimat zu reisen. Zu groß war der Schmerz um seine in Hitler-Deutschland umgekommenen Verwandten, zu groß auch die Angst, was ihm dort nach 60 Jahren begegnen würde. Schon 2006 war es der Aktion "Stolpersteine" und dem Künstler Gunter Demnig zu verdanken, dass an der Mettmanner Straße 76 zwei Gedenkplatten für die Nazi-Opfer Rolf und Henry Bernstein verlegt wurden.

Dass deren Cousin und Neffe, Gary Eichenwald, auch in diesem Jahr nochmals mit seiner Frau Harriet und seinem Sohn Wesley nach Hilden gereist ist, hat einen konkreten Anlass: In Benrath wurden am Donnerstag sowohl ein Stolperstein für Garys Vater Walter Eichenwald als auch für dessen Schwager Paul Blumenfeld mit seiner Frau Helene (die Eltern von Gay Lamac) an der Hauptstraße 46 verlegt. In Hilden hatte gestern die Überreichung des Buchs: "Stolpersteine für Rolf und Henry Bernstein – Gedenken, Erinnern, Versöhnen" für die Gäste aus dem Ausland eine ähnlich große Bedeutung.

Auf 151 Seiten ist eine Dokumentation entstanden, die mit der Kontaktaufnahme zu den Eichenwalds durch Schüler der hiesigen Theodor-Heuss-Schule begann und zunächst nur zu einem ersten, eher kritischen Antwortschreiben von Gary Eichenwald führte. Sein Sohn Wesley (50), Journalist und Autor, entdeckte später in den USA einen alten Koffer mit Briefen und Fotos, begann sich ebenfalls für seine deutschen Wurzeln zu interessieren und schrieb einen Essay. Und schließlich fand die Niederländerin Thea Blankenstein beim Ausbau des elterlichen Hauses noch versteckte Aufzeichnungen von Henry Bernstein, die er noch vor seiner Deportation nach Bergen-Belsen in seinem Versteck, dem Dachgeschoss der Familie Blankenstein geschrieben, hatte. Thea Blankensteins Vater wurde als Kollaborateur von den Nazis ebenfalls verhaftet und starb an Typhus in Bergen-Belsen. Nach Ansicht von Stadtarchivar Dr. Wolfgang Antweiler bieten die über fünf Jahre gesammelten Dokumente, Fotos, Berichte und persönlichen Aufzeichnungen soviel historischen Stoff zum Lesen, dass das Buch jetzt in Druck geht. Erscheinen soll es im September.

(RP)
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