Grevenbroicher Ärzte-Team setzt kleine Sauger ein Blutegel sind die neuen „Kollegen“ im Krankenhaus

Grevenbroich · Das Ärzte-Team im „Elisabeth“ setzt jetzt Blutegel bei der Schmerztherapie ein. Wie sich das anfühlt – und wann Linderung eintritt.

 Experte Dr. Johannes Löser mit den Pain Nurses Sabine Conrads, Cora Mertens und Brigitte Aengenheister (v.l.) bei der Blutegel-Therapie.

Experte Dr. Johannes Löser mit den Pain Nurses Sabine Conrads, Cora Mertens und Brigitte Aengenheister (v.l.) bei der Blutegel-Therapie.

Foto: Elisabethkrankenhaus/Susanne Niemöhlmann

Die Therapeuten der Klinik für Schmerzmedizin am Elisabethkrankenhaus haben Verstärkung bekommen: Hirudo medicinalis heißt der neue Kollege, der gewöhnlich in der Gruppe auftritt und besser unter dem Namen Medizinischer Blutegel bekannt ist. Auf Initiative von Dr. Margaret Schönewolf – mit Dr. Alexandra Knille Klinik-Chefärztin – werden die etwa zehn Zentimeter langen wurmartigen Tiere, die an Kopf und Ende über Beißwerkzeuge verfügen, nun in der Grevenbroicher Schmerztherapie eingesetzt: etwa zur Behandlung von Arthrose, Rücken- oder Kopfschmerzen, verschiedenen Entzündungen oder Wundheilungsstörungen.

Etwas Ruhe ist notwendig, damit die Blutegel „anbeißen“, erklärt Egel-Experte Dr. Johannes Löser, Anästhesist und Leiter des Schmerzzentrums Rhein-Erft in Stommeln, den ärztlichen Kollegen sowie den Pain Nurses, die speziell für die Pflege von Schmerzpatienten qualifiziert sind. Sind die Egel einmal bei der Arbeit, lenkt sie so schnell nichts ab. Sie saugen zwischen 30 und 90 Minuten, werden dabei bis zu 15 Zentimeter lang und fingerdick. „In dieser Zeit trinken sie zehn bis 15 Milliliter Blut“, sagt Löser.

Vier Tierchen hat er Selma Dikmen rund um ihr rechtes Knie angesetzt. Für die Arthrose-Patientin ist es die erste Egel-Behandlung, doch große Überwindung hat es sie nicht gekostet. „Als kleines Mädchen habe ich beobachtet, dass meine türkische Oma gegen ihre Schmerzen Blutegel angewendet hat“, erklärt sie. Offenbar sind viele dieser Therapie gegenüber recht aufgeschlossen. „Es ist eher selten, dass ein Patient die Blutegel-Behandlung ablehnt, etwa aus Ekel vor den Tieren“, berichtet Dr. Margaret Schönewolf.

 Blutegel warten auf ihren Einsatz in der Schmerztherapie.

Blutegel warten auf ihren Einsatz in der Schmerztherapie.

Foto: Elisabethkrankenhaus/Susanne Niemöhlmann

Wie fühlt es sich nun an, wenn Blutegel ihren Durst stillen? Selma Dikmen winkt ab: harmlos. „Wie ganz feine Nadelstiche oder ein leichtes Vibrieren“, versucht sie die Empfindung zu beschreiben. Derweil sind die Blutegel fleißig und sondern eine wässrige Flüssigkeit ab. „Das ist das Blutplasma, die Egel verwerten nur die Blutzellen“, klärt Johannes Löser auf. Er hat für Dikmen eine ermutigende Prognose: „Bereits morgen werden Sie aufstehen und weitgehend schmerzfrei gehen können“, meint er. Zwischen drei und sechs Monaten sollte die Schmerzfreiheit oder zumindest eine deutliche Schmerzreduktion seiner Erfahrung nach anhalten, möglicherweise sogar bis zu einem Jahr. Nach nur einer Behandlung.

Doch was genau spielt sich überhaupt ab? „Das Geheimnis des Erfolges einer Behandlung mit Blutegeln liegt im Speichelsekret der Tiere“, erläutert Margaret Schönewolf, „während sie trinken, geben sie entzündungshemmende Stoffe ins Blut ab. Wer auf Diclofenac oder Ibuprofen positiv reagiert, der hat auch gute Chancen, dass die Egel-Therapie anschlägt. Nur diese hat deutlich weniger Nebenwirkungen.“ Blut- und Lymphstrom werden angeregt, der Speichel wirkt blutreinigend, entstauend und entgiftend. Durch den Einfluss auf die Innenwand von Blutgefäßen und auf bestimmte Blutkörperchen kann einer Blutverklumpung vorgebeugt werden, bereits bestehende Blutklümpchen können sich auflösen.

Die Blutegel lassen los, sobald sie satt sind, und können dann einfach abgesammelt werden. Übrigens: Die wurmartigen Tierchen, die in der Schmerztherapie eingesetzt werden, wurden eigens hierfür gezüchtet und gelten darum als Medizinprodukt.

(NGZ)
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