Duisburg Folkwang: Nike Wagner und Boris Bloch begeistern

Duisburg · Zum 200. Geburtstag von Richard Wagner brillierte die Urenkelin des Komponisten mit einer fulminanten Festrede.

Berühmte Menschen, tolle Musik und tiefe Erkenntnisse: Die Folkwang-Universität der Künste feiert zurzeit das zehnjährige Bestehen ihres Standorts Duisburg in der aktuellen Form mit den Fachbereichen Klavier, Kammermusik und Alte Musik (die RP berichtete). Als einen Höhepunkt gab es jetzt eine Veranstaltung "Zum 200. Geburtstag von Richard Wagner (1813-2013)".

Das wichtigste Ereignis dabei war die Festrede "Bayreuth und Weimar: zwei deutsche Traditionen. Wagner, Liszt und wir" von Dr. Nike Wagner. Die 1945 geborene Kulturwissenschaftlerin und Intendantin des Weimarer Kunstfests "Pèlerinages" ist ja die Ururenkelin des Komponisten Franz Liszt und Urenkelin von Richard Wagner. In Duisburg verblüffte sie mit einem Referat darüber, dass Liszt in der Familie Wagner einen schweren Stand hatte. "In meiner Jugend in Bayreuth hat man ihn praktisch nicht erwähnt. Ich sehe noch meinen Vater Wieland Wagner selig schlummern in einer Aufführung von Liszts Oratorium ,Die Legende von der Heiligen Elisabeth', die er aus repräsentativen Gründen besuchen musste."

Zwar wusste Richard Wagner selbst sehr genau, dass er an Liszt nicht nur den großzügigsten Förderer, sondern auch den besten Freund hatte. Als Wagner wegen seiner Beteiligung an der Dresdner Revolution von 1848/49 fliehen musste, besorgte Liszt ihm einen falschen Pass und ein Haus in der Schweiz, sorgte von Weimar aus für die Verbreitung von Wagners Musik. Aber Liszts Tochter Cosima hatte einen Vater-Komplex, denn dieser hatte ihre Mutter, die französische Gräfin Marie d'Agoult, wegen der Fürstin Caroline Sayn-Wittgenstein verlassen. "Doch sie selbst desertierte aus der Ehe mit dem Dirigenten Hans von Bülow, um Richard Wagner zu heiraten", so Nike Wagner in Duisburg.

Als Liszt 1886 bei den Bayreuther Festspielen starb, ging Cosima als Leiterin pietätlos damit um: Die Festspiele gingen weiter, bei seiner Beerdigung wurde keine Musik von Liszt gespielt, sondern auf Geheiß von Cosima musste Anton Bruckner auf der Orgel über ein Thema aus Wagners "Parsifal" improvisieren.

Von Liszt sprach man bei Wagners nur als "der Abbé" und "der Virtuose", beides war verächtlich gemeint. Und spätestens seit dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 setzte man sich als "protestantisch und deutsch" deutlich von dem "katholischen und französischen" Liszt ab. Vielleicht, so Nike Wagner, fühlten und fühlen sich die Außenseiter der Familie Wagner wie Friedelind oder Gottfried ja gerade deshalb mehr zu ihrem Liszt-Erbe hingezogen.

"Vielleicht gehöre ich ja auch dazu. Mein Weimarer Festival habe ich jedenfalls Liszt gewidmet", meinte sie und fügte mit dem freundlichsten Lächeln der Welt hinzu: "Vielleicht hat man mir ja deshalb die Leitung der Bayreuther Festspiele verweigert."

Die endgültige Versöhnung kam durch Folkwang-Klavier-Professor Boris Bloch, der als Rahmen des Abends nicht nur Sätze aus Liszts "Années de pèlerinage" spielte, sondern auch von Liszt mehr oder weniger frei in großartige Klavierstücke verwandelte Musik aus Wagners Opern.

(hod)
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