Duisburger Geschichten und Geschichte Schwarzer Freitag sorgt für Depression

Duisburg · Die Weltwirtschaftskrise traf unsere Stadt vor 90 Jahren mit voller Wucht.

 Eine lange Schlange vor der Baracke: Als Folge der Weltwirtschaftskrise mussten sich immer mehr Menschen arbeitslos melden.

Eine lange Schlange vor der Baracke: Als Folge der Weltwirtschaftskrise mussten sich immer mehr Menschen arbeitslos melden.

Foto: Stadtarchiv

Nie war die Duisburger Luft so rein wie Anfang der 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die Schlote rauchten nicht mehr und allenfalls vereinzelt bliesen Hochöfen nur etwas Rauch, und Staub über die Wohnviertel. Duisburg wurde zum größten Luftkurort am Niederrhein mit ausgedehnten Wäldern, mit einem großstädtischen Theater, mit einem gepflegten Konzertorchester und vor allem einer großen Zahl von Müßiggängern, die auf Bänken in den Parkanlagen saßen. Viele genossen auf Promenadenbänken die Sonne, spielten Karten und trafen sich zu Glücksspielen. Die Weltwirtschaftskrise hatte eine Katastrophe ausgelöst, die von einigen Zeitgenossen nur mit Ironie und Sarkasmus ertragen werden konnte.

In der Realität war es eine brutal harte Zeit, in der Menschen viel durchmachen mussten. Zur Erinnerung: Am  24. Oktober 1929, dem „Black Thursday“, der aufgrund der Zeitverschiebung in Deutschland der „Schwarze Freitag“ heißt, setzte nach dem New Yorker Börsencrash eine Weltwirtschaftskrise ein, die Duisburg mit voller Wucht traf. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Wenn die „Amerikaner ihre kurzfristigen Kredite abrufen“, befürchtete Außenminister Stresemann im November 1928, „dann ist der Bankrott da“. Der fünf Jahre währende Aufschwung basierte auf US-Kredite, die nun kurzfristig fällig wurden , was vielen Duisburger Firmen die Existenz kostete. Die Industrieproduktion sackte ab. Massenentlassungen folgten. Die Arbeitslosenquote kletterte auf 32 Prozent. Die Menschen verarmten und das Elend breitete sich rasend schnell aus. Der Export brach ein, weil die Preise auf breiter Front verfielen und viele Länder ihre Binnenmärkte schützen wollten und mit protektionistischen Maßnahmen die Einfuhr fremder Waren verhinderten. Für Deutschlands größten Binnenhafen war das schlicht eine Katastrophe, die Schiffe fuhren – wenn überhaupt – oft nur noch mit halber Ladung. Werft- und Hafenarbeiter wurden entlassen.

Die Strukturprobleme der Montanwirtschaft im Ruhrgebiet traten gleichzeitig offen zu Tage. Im Jahr 1932 erreichte die Steinkohlenförderung in Duisburg-Hamborn nur noch knapp 58 Prozent  ihres Standes von 1929.  Infolge von Zechenstilllegungen wurden seit 1924 60.000 Bergleute im Ruhrgebiet entlassen. Nachdem Anfang 1931 Versuche der Vereinigten Stahlwerke, Löhne und Gehälter um 20 Prozent zu kürzen, am Widerstand der Gewerkschaften scheiterten, schloss man die Stahlhütte in Duisburg-Ruhrort/Meiderich mit mehr als 6000 Arbeitern. Die Firmenpleiten stiegen. Nicht etwa nur einfache Arbeiter, sondern auch qualifizierte Angestellte verloren ihre Jobs. Aber auch der Binnenmarkt ging in die Knie, denn statt ihn mit Konjunkturhilfen zu beleben, setzte die Reichsregierung ein eisernes Sparprogramm durch, das die Krise nur noch verschärfte.

Das Stadtbild veränderte sich. Arbeitslose standen Schlange vor den „Stempelbude“ – ein Bild der Trostlosigkeit. Die meisten Arbeitslosen waren schon bald auf die Wohlfahrtshilfe der Kommune angewiesen. Apathie und Wut breiteten sich aus. Die Kriminalität stieg und in Duisburg verwilderten die Sitten. Kampfappelle, Saalschlachten und Krawalle waren an der Tagesordnung. Die politischen Gruppierungen radikalisierten sich. Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit trieben die  Wähler schließlich in die Arme der Nationalsozialisten.

Selbstverständlich sind die heutigen Verhältnisse nicht mit denen vor 90 Jahren vergleichbar. Doch Zeitungslektüre oder Twitter- Nachrichten machen nachdenklich. Die Liste mit Unwägbarkeiten ist lang. Nicht nur der Brexit spielt dabei eine Rolle – auch die Weltwirtschaft insgesamt. Selten gab es so viele Krisenherde und Handelskonflikte, die das Potenzial haben, eine schwere Rezession auszulösen. „Wichtige charakteristische Merkmale für eine Krise kehren immer wieder“, so der Wirtschaftshistoriker Plumpe. Wer nur in der Gegenwart lebt, übersieht Risiken.

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