Wirtschaftsgeschichte Victoria: Abschied einer Düsseldorfer Marke

Düsseldorf · Die Victoria prägte als Arbeitgeber die Nachkriegsgeschichte der Stadt. Heute ist die Victoria Geschichte und Teil von Ergo.

 Vorstandsvorsitzener Edgar Jannott bekommt am 5. August 1986 das Schild des damals neuen Victoriaplatzes überreicht, rechts im Bild der zuständige Düsseldorfer HPP-Architekt Helmut Hentrich

Vorstandsvorsitzener Edgar Jannott bekommt am 5. August 1986 das Schild des damals neuen Victoriaplatzes überreicht, rechts im Bild der zuständige Düsseldorfer HPP-Architekt Helmut Hentrich

Foto: Ergo Archiv

Wer Edgar Jannotts Rede kürzlich vor der Ergo-Zentrale hörte, der konnte erahnen, dass für die Ehemaligen die Victoria mehr ist als irgendein Arbeitgeber. Jannott war über Jahrzehnte Chef des Unternehmens, trägt diverse Ehrentitel. Er, einer der Väter der heutigen Ergo, bezeichnet sich noch heute als „Victorianer“ – und erhält dafür wieder großen Beifall. Doch warum ist die Victoria für die Stadt so besonders. Ein Blick zurück.

„Der Berliner Privatier Otto Crelinger hatte im Jahr 1843 die Idee, Personen und Güter für die damals aufkommenden Eisenbahnlinien zu versichern“, sagt Markus Holmer, der bei der Ergo das Archiv leitet. Der sperrige Name „Allgemeine Eisenbahn-Versicherungs-Actien-Gesellschaft“ war für die rasche Expansion ins Ausland zu sperrig, so nannte sich die Firma ab 1875 Victoria.

Nach dem Ersten Weltkrieg besetzen Belgier und Franzosen das Rheinland. So sah sich das Berliner Unternehmen für sein Geschäft im Rheinland gezwungen, eine neue Gesellschaft zu gründen, denn nur mit Sitz am Rhein durften weiter dort Geschäft gemacht werden – der Name: „Victoria am Rhein“. Die fristete zunächst nur ein Schattendasein – bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Berlin war von vier Mächten besetzt und bot sich nicht als neue Zentrale an. Da besann man sich der Tochter am Rhein. „Von Düsseldorf aus begann 1946 der Wiederaufbau der Victoria“, sagt Holmer. Das Düsseldorfer Direktionsgebäude an der Bleichstraße (Ecke Schadowstraße) war im Krieg stark beschädigt worden. So wurde 1950 mit dem Bau eines neuen Sitzes an der Bahnstraße (Ecke Kö) begonnen, das 800 Mitarbeitern Platz bieten sollte. Dieser Bau wurde – wie später auch die Gebäude am Victoriaplatz – von dem Architekturbüro HPP entworfen.

Von 1952 bis 1986 war die Victoria in der Innenstadt zu Hause. Allerdings war dieses Gebäude der Größe bald nicht mehr gewachsen, so dass die Angestellten 1986 in 17 verschiedenen Bürogebäuden in der Innenstadt tätig waren, was die Zusammenarbeit erschwerte. Heute ist dort die Werbeagentur BBDO an der Kö. 1979, als die Messe in den Norden vor die Tore der Stadt verlegt wurde, kaufte die Victoria einen Teil des Areals der Alten Messe. Am 5. August 1986 zogen rund 1400 Mitarbeiter ein.

Die Vicotoria wuchs rasant weiter. Nach der Wiedervereinigung war die Option, wieder nach Berlin zu gehen, eine adäquates Druckmittel gegen die Düsseldorfer Stadtpolitiker. „Nach langen Überlegungen schlug die Victoria der Stadt vor, ihr das Grundstück der Stadthalle für einen Erweiterungsbau zu veräußern und an anderer Stelle eine neue Stadthalle zu errichten. Sie verkauften 1993 an die Victoria und brachen Stadthalle und Radschlägersaal ab“, blickt Holmer zurück.

 ERster Bauabschnitt der neuen Hauptverwaltung auf dem ehemaligen Messegelände 1989 noch mit Radschlägersaal und Stadthalle.

ERster Bauabschnitt der neuen Hauptverwaltung auf dem ehemaligen Messegelände 1989 noch mit Radschlägersaal und Stadthalle.

Foto: Ergo Archiv
 Ein Beitragskassierer, Außendienst um 1900 noch in Berlin.

Ein Beitragskassierer, Außendienst um 1900 noch in Berlin.

Foto: Ergo Archiv
 Wo heute an der Königsallee die Werbeagentur BBDO ihren Sitz hat, war 1953 noch die Victoria.

Wo heute an der Königsallee die Werbeagentur BBDO ihren Sitz hat, war 1953 noch die Victoria.

Foto: Ergo Archiv

1997 fusionierte die Mutterfirma Münchener Rück die Victoria mit der Hamburg-Mannheimer. Daraus wurde die Ergo, seit 2010 wird der Name Victoria nicht mehr verwendet. Für viele Victorianer ein Trauerspiel, stand die Versicherung doch dafür, ohne die von vielen als unseriös empfundene Werbung auszukommen. Jetzt heißt auch die Adresse der Ergo „Ergo-Platz“. Ein Trost ist den Victorianern geblieben: Ein Teil des Platzes hat seinen alten Namen behalten, durch die U-Bahnhaltestelle „Victoriaplatz“ wird das Erbe der Gesellschaft im Gedächtnis halten.

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