Thomas Geisel zur Rheinbahn „Der Vorstand hätte den Fokus mehr aufs Kerngeschäft legen sollen“

Der Rheinbahn-Aufsichtsratsvorsitzende zeigt sich enttäuscht von der Unternehmensführung.

 Die U79, hier am Klemensplatz, steht wegen mangelnder Zuverlässigkeit in der Kritik – eine der Baustellen der Rheinbahn.

Die U79, hier am Klemensplatz, steht wegen mangelnder Zuverlässigkeit in der Kritik – eine der Baustellen der Rheinbahn.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Am Mittwoch kommt der Aufsichtsrat der Rheinbahn zu einer Sondersitzung zusammen, bei der es um die Zukunft des Vorstands geht. Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) ist der Vorsitzende des Gremiums – und äußert sich im Interview mit unserer Redaktion erstmals über die aktuelle Krise des Unternehmens.

Herr Geisel, seit Wochen reiht sich eine schlechte Nachricht über die Rheinbahn an die andere. Wie beurteilen Sie die Lage?

Thomas Geisel Die Situation ist natürlich schwierig. Man muss die Probleme aber differenziert betrachten. Dem aktuellen Management fallen gerade teilweise Fehler aus früheren Zeiten auf die Füße, als der Fokus nicht aufs Wachstum der Rheinbahn, sondern nur auf die Wirtschaftlichkeit gelegt wurde.

Woran denken Sie?

Geisel Der Fuhrpark ist teilweise überaltert, das erklärt auch die Risse in Stadtbahnen, die kürzlich bekannt wurden. Darüber hinaus hat die Rheinbahn viele Busfahrten an Subunternehmer ausgelagert, die jetzt wegen der guten Arbeitsmarktsituation kein Personal mehr finden. Das ist ein wichtiger Grund für den Fahrermangel. Auch der Fehler bei der Ausschreibung der neuen Bahnen, deren Prototyp an einem Bahnsteig in Duisburg entlanggeschrammt ist, stammt aus früherer Zeit.

Es geht also nur um Fehler aus der Vergangenheit?

Geisel Nein. Für mich ist aktuell viel gravierender, dass sich die Ambitionen der Rheinbahn für einen Zuwachs an Fahrgästen nicht erfüllt haben.

Sie meinen, dass Vorstandssprecher Michael Clausecker bei seinem Antritt 2016 ein Wachstum von zwei Prozent pro Jahr in Aussicht gestellt hat. Er selbst hält das Ziel inzwischen für zu ehrgeizig.

Geisel Ja. Ich glaube, dass Clausecker bei seinem Amtsantritt etwas unterschätzt hat, in welchem Zustand sich die Rheinbahn befand. Er hätte den Fokus mehr auf das Kerngeschäft legen sollen. Die Menschen wollen mit der Rheinbahn schnell, zuverlässig und preiswert ans Ziel kommen. Statt sich um dieses Pflichtprogramm zu kümmern, hat sich der Vorstand zu stark um Zusatzprojekte gekümmert, die aus meiner Sicht zwar schön, aber nicht vordringlich sind, etwa die Stärkung von Park & Ride, ein besseres Marketing oder mehr Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme.

Clausecker galt als Ihr Kandidat.

Geisel Er wurde im Aufsichtsrat einstimmig gewählt.

Seit Wochen kann man beobachten, wie es im Unternehmen rumort. Warum haben Sie sich nicht früher zu Wort gemeldet?

Geisel Man sollte es nicht fehldeuten, wenn ich anders als andere mich zur Rheinbahn nicht über die Medien geäußert habe.

In der Aufsichtsratssitzung wird es um die Frage gehen, ob Clausecker weitermachen darf. CDU-Politiker Andreas Hartnigk fordert seine Ablösung. Hat Clausecker noch Ihr Vertrauen?

Geisel Ich finde es seltsam, wenn Andreas Hartnigk jetzt Punkte wie die Risse in den Bahnen oder die fehlerhafte Ausschreibung gegen Clausecker ins Feld führt. Die Probleme der Rheinbahn sind auch eine Folge der Zeit, als Dirk Biesenbach der Vorstandssprecher und Hartnigk der Aufsichtsratsvorsitzende war.

Wollen Sie also mit Michael Clausecker weitermachen?

Geisel Ich habe immer gesagt, dass ich die Wachstumsstrategie für richtig halte und das Ziel von zwei Prozent nicht für illusorisch. Ich will, dass der ÖPNV einen größeren Anteil am Gesamtverkehr erreicht. Der Vorstand wird am Mittwoch seine Ideen für eine Nachschärfung der Strategie vorstellen. Dann wird man in der Diskussion sehen, ob Michael Clausecker noch den erforderlichen Rückhalt hat.

Das klingt, als würden Sie für sich selbst als Vorsitzenden nur eine moderierende Rolle sehen.

Geisel Nein. Wichtig ist für mich aber, dass wir eine sachliche Diskussion führen. Parteipolitik und persönliche Sympathien oder Antipathien gehören dort nicht hin. Ich muss auch sagen, dass ich es

erstaunlich finde, wie sich die Diskussion ausschließlich auf die Person Michael Clausecker konzentriert.

Früher hatte die Rheinbahn einen Technikexperten im Vorstand. Sollte man den vielleicht zusätzlich als dritte Stelle installieren?

Geisel Man muss kein Techniker sein, um zu sehen, dass sich die alte Hardware der Rheinbahn nicht ausquetschen lässt wie eine Zitrone. Das weiß auch ein guter Kaufmann. Viele Probleme kommen aus früheren Zeiten. Ich hätte mir aber vom Vorstand gewünscht, dass er sie beherzter, frühzeitiger und fokussierter anpackt.

 Oberbürgermeister Thomas Geisel

Oberbürgermeister Thomas Geisel

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Die Stärkung des ÖPNV ist eines Ihrer zentralen Wahlversprechen. Ausgerechnet, während Diesel-Fahrverbote drohen, reden wir stattdessen über die Krise der Rheinbahn. Sind Sie gescheitert?

Geisel Es ist nicht so, dass nichts passiert ist. Wir haben 70 Ampeln beschleunigt, auch die kürzlich gestarteten Metro-Busse werden offenbar gut angenommen. Dazu kommt die schnellere Umrüstung der Busflotte auf Euro 6. Dass ich mit der Situation nicht glücklich bin, ist aber kein Geheimnis. Ich hatte nach den Ankündigungen der Rheinbahn die Hoffnung, dass wir mehr hinbekommen. Wir müssen jetzt darüber diskutieren, was sich ändern lässt. In den zwei Jahren bis zur Kommunalwahl kann noch viel passieren.

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