Fachgeschäft in Unterrath schließt Der Fahrradflüsterer

Unterrath · Zweirad Just in Unterrath schließt nach 35 Jahren Ende September seine Pforten, es fand sich kein Nachfolger.

 Dreieinhalb Jahrzehnte drehte sich bei Thomas Just fast alles um zwei Räder. Jetzt will er kürzer treten.

Dreieinhalb Jahrzehnte drehte sich bei Thomas Just fast alles um zwei Räder. Jetzt will er kürzer treten.

Foto: Marc Ingel

Es ist der normale Dienstags-Wahnsinn, wie Thomas Just sagt. Sonntags und montags ist der Laden an der Ecke Unterrather Straße/Mecklenburger Weg geschlossen, da hat sich so einiges angesammelt. Thomas und Heike Just nehmen sich für jeden Kunden viel Zeit, sie wollen nicht einfach nur verkaufen. „Wir erfüllen unseren Job mit Herzblut, wollen Träume erfüllen und dass der Kunde Spaß hat“, sagt der Chef. Das klingt ein wenig hochtrabend für ein Geschäft, das vor allem darauf ausgerichtet ist, Fahrräder zu verkaufen. Doch wer die vielen Fotos von dankbaren Kunden an der Wand sieht, deren (Reise-)Geschichten liest, die Just auf seiner Internetseite veröffentlicht hat und in denen immer das Fahrrad im Mittelpunkt steht, der versteht, dass der 60-Jährige mehr ist als nur Fachmann und Verkäufer. „Man nennt mich den Fahrradflüsterer“, sagt der gelernte Werkzeugmachermeister, der über die Umwege Waffenwerkstatt, Motorradrahmen und Mofa zum Fahrrad fand.

Thomas Just hat sich darauf spezialisiert, maßgeschneiderte Zweiräder zu bauen. Wer sich darauf einlässt, muss sich Just gegenüber offenbaren. „Ich will wissen, wie der andere tickt, was er für ein Typ ist.“ Es gibt so vieles zu beachten: Körperbau, Größe, Trittfrequenz, Fahrverhalten, Charakter. Das kann schnell gehen, dauert manchmal aber auch mehrere Stunden. „Sich so ein Rad anfertigen zu lassen, kann eine Entscheidung fürs Leben sein, da überstürzt man nichts“ – und meckert auch nicht über den Preis, der schnell mal bei 4000 Euro liegen kann. Aber: „Nach Rabatt fragt bei mir keiner“, beteuert der Ergonomie-Experte. Bis zu acht Wochen kann es dann dauern, bis der Hersteller Patria das „perfekte Rad“ nach der von Just erstellten Bauanleitung angefertigt hat. „Das ist es den Leuten aber auch wert“, betont der Fahrradflüsterer, „die sind stolz wie Bolle, wenn sie ein Rad haben, das es so kein zweites Mal auf der Welt gibt“.

35 Jahre lang haben die Justs ihr Geschäft jetzt schon, erst an der Moltke-, dann an der Schlossstraße, schließlich am Mecklenburger Weg. Aus Hamburg und Frankfurt, aus Finnland und Schottland sind die Menschen zu ihm gekommen, erzählt der 60-Jährige, doch jetzt ist Schluss. Die Schultern bei ihr, die Hüfte bei ihm, es geht einfach nicht mehr, „wir haben aber auch immer Vollgas gegeben, 60 Stunden pro Woche reingeballert“. Zusammen mit der Handwerkskammer hat Thomas Just sich auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolger begeben, gefunden hat er keinen. „Ich hätte dem Kandidaten den Laden zum Waren-Einkaufspreis zu Füßen gelegt“, sagt Just, aber es war niemand dabei, der seinen Ansprüchen genügte. „Entweder die Lust war erkennbar, aber das Können fehlte – oder umgekehrt“, urteilt der Fahrradtechniker über die sechs Interessenten.

„Auf Augenhöhe“ begegnet er ohnehin nur einem in Düsseldorf, „meinem alten Rivalen“ Peter Rewald von re-Cycler an der Herderstraße im Zooviertel. Wenn bei Zweirad Just am 22. September die Lichter ausgehen, übernimmt Rewald die Lieblingsmarken von Just. Der wird dann noch zwei Tage in der Woche bei Rewald arbeiten, mithelfen, „wilde Fahrräder“ zu bauen, „denn letztlich geht es uns beiden ja nur darum, die Kunden zufrieden zu stellen. Das ist Handwerkerehre“, betont der in Flingern wohnhafte Just.

Langeweile wird bei ihm bestimmt nicht aufkommen. Der Kampf- (Judo, Jiu Jitsu plus Thai Chi) und Motorsportler habe seine liebsten Hobbys viel zu lange vernachlässigt. An einem Buch schreibt er auch, das – wen wundert es – von Fahrrädern handelt. Doch noch hat Just ja ein paar Wochen. „Es ist ein schönes Gefühl, eine Lücke zu hinterlassen. Dass man von den Kunden quasi nach draußen gefeiert wird.“ Der Fahrradflüsterer hat insgeheim aber schon seinen Frieden mit sich und seiner Entscheidung gemacht.

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