Michelin-Test in Düsseldorf Das Schiffchen verliert einen Stern

Düsseldorf · Die Michelin-Tester haben Düsseldorfs Top-Köche bewertet. Die Abstufung Jean-Claude Bourgueils ist Symbol für das Ende einer Ära.

Guide Michelin 2021: Das sind die Sterneköche Düsseldorfs
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Guide Michelin 2021 - das sind die Sterneköche Düsseldorfs

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Wenn der Guide Michelin seine Sterne verteilt, ist die Spannung hoch in der Gourmet-Szene – wer bekommt einen, zwei oder gar drei? Für Düsseldorf hat sich nicht viel geändert: Die zehn schon 2018 belohnten Restaurants behielten jeweils ihren Stern: Yoshi, Fritz’s Frau Franzi, Agata’s, Anthony’s (Meerbusch), Berens am Kai, Nenio, Bread&Roses, Le Flair, Nagaya und Tafelspitz 1876.

Aber Jean-Claude Bourgueil (71) mit seinem Schiffchen wurde zurückgestuft – von zwei auf einen Stern. Das ist immer noch gut, aber im Vergleich zu früher ein Rückschritt. Und ein Symbol für eine sich radikal verändernde Restaurant-Szene. Auf diese Entwicklung hat auch Bourgueil reagiert, als er voriges Jahr sein Konzept änderte.

Bei den Gourmets wird diese Nachricht trotzdem einschlagen wie eine Bombe. Obwohl man weiß: Wenn die Zeit eines solchen Stars zu Ende geht, dann ist es wie bei den Sternen am Himmel – sie endet in der Regel nicht mit einem lauten Knall, sondern am Ende glüht er nochmals auf, um dann langsam abzukühlen. Beim Schiffchen in Kaiserswerth ist es ähnlich: Jahrzehnte strahlte dieses Restaurant über die Grenzen Deutschlands hinaus mit drei Sternen, Bourgueil war unangefochtener Meister für alle Schmecklecker und bleibt in der obersten Liga – auch nur mit einem Stern.

Den Patron scheint das kalt zu lassen – immerhin hat er selbst diese Entwicklung befeuert, als er vor rund einem Jahr sein Restaurant von zwei auf eine Etage verkleinerte und ankündigte, kürzer treten zu wollen. Bourgueil trotzig: „Ich koche heute jedenfalls nicht schlechter als vorher!“ Die aktuelle Entwicklung berührt ihn aber dennoch. Bourgueil: „Ich hatte 19 Jahre vier Sterne im Haus – drei fürs Schiffchen, einen für den Aalschokker!“ Der Aalschokker war die etwas bescheidenere Variante seines Angebots im Erdgeschoss des alten Hauses am Kaiserswerther Markt, das Schiffchen in der 1. Etage sozusagen die Top-Adresse. Alles vorbei – jetzt wird nur noch unten eingedeckt, es sei denn, Stammgäste wünschen ausdrücklich, oben bedient zu werden.

Damit gibt es in Düsseldorf erstmals seit den 1980er Jahren kein Drei- oder Zwei-Sterne-Restaurant mehr. Einst gab es drei: Peter Nöthels Hummer-Stübchen (zwei Sterne), Bourgueils Schiffchen (drei) und Günter Scherrers Victorian (einer).

Das war einmal. Nöthel beendete die Zeit des Hummer-Stübchens vor wenigen Jahren, verzichtete auf seine zwei Sterne (die er 20 Jahre gehalten hatte) und machte daraus das „Nöthels“, Bourgueil kündigte ebenfalls an, manchmal die Küche kalt zu lassen – und das Victorian steht seit mehreren Wochen leer. Bei allen dreien jedoch lernten ein paar der erfolgreichsten jungen Köche Deutschlands, einige haben ihrerseits Sterne geholt.

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Foto: dpa-tmn/Tobias Hase

Kein Zweifel – die Zeit der kantigen und bisweilen rabiaten Großmeister am Herd ist vorbei. Heute stehen jüngere Köche vorn, kreativ und insgesamt zurückgenommener im Auftritt. Die alten Restaurants der Top-Liga waren vornehme, manchmal plüschige Etablissements, die noch den Charme der 1970er Jahre atmeten. An ihnen ging die Zeit vorbei, zahlungskräftige Gäste, die das mochten, starben buchstäblich aus. Vorbei die Jahre, in denen Dax-Vorstände mit Kunden für einige tausend Euro dinierten und der Wein drei- oder vierstellige Summen pro Flasche kostete. Verschärfte Compliance-Regeln, aber auch ein geändertes Bewusstsein bei den jüngeren Gourmets zeigen Folgen. Natürlich gibt es immer noch viele, die gerne gut essen – aber für einen Restaurant-Besuch mal eben mindestens 300, häufig aber noch viel mehr hinzulegen, das wollten zuletzt zu wenige.

Kaum einer legt mehr Wert auf die weiße Rose im feinen Porzellan auf dem Tisch, die stocksteif vor einem stehende Damast-Serviette, vermeintlich teure Kunst an den Wänden und schwere Vorhänge vor den Fenstern. Auf dem Boden müssen keine dicken Teppiche liegen, die Wände nicht mit Stoff bespannt und der Sommelier nicht hochnäsig wie von Adel sein. Dafür aber liebt man ungewöhnlich gestaltete Räume mit Beton-Optik, eigenwillige Farben, gerne offenes Mauerwerk und Lampen im Vintage-Stil – Michelin-Tester von einst hätten sich mit Grausen abgewendet und den Laden abgehakt.

Heute müssen sie so etwas akzeptieren, und vor allem: Sie müssen sich ausschließlich auf das konzentrieren, was auf dem Teller liegt. Das ist fast immer überraschend, aber meist nicht abgedreht kombiniert, handwerklich perfekt angerichtet und, sehr wichtig, von ökologisch sauberen Lieferanten. Den Gästen ist das wichtig, und den Köchen auch – sie kochen hervorragend mit den bestmöglichen Zutaten und wissen sehr genau, was sie ihren Gästen preislich zumuten können. Mehr und mehr scheint der Michelin das zu goutieren.

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