Bühnenbilder für die Rheinoper Wo in Duisburg kühne Ideen Wirklichkeit werden

Düsseldorf · Im Duisburger Produktionszentrum der Rheinoper entsteht in aufwendigen Prozessen ein Bühnenbild nach dem anderen, auch im Lockdown. Hier greifen alle Gewerke nahtlos ineinander.

 Sandra Hegemann bei der Arbeit in der Tischlerei der Rheinoper.

Sandra Hegemann bei der Arbeit in der Tischlerei der Rheinoper.

Foto: Rheinoper/Daniel Senzek

Öffnet sich in der Oper der rote Samtvorhang, gibt er den Blick auf das Bühnenbild frei. Ein verheißungsvoller Moment für jeden Zuschauer. Beeindruckt ihn, was er sieht? Ist er enttäuscht, überrascht, fasziniert?

Auch Christian Acht erlebt diese erste Minute bei jeder Premiere voller Spannung. Nur ist seine Sichtweise eine andere: Als Leiter des Duisburger Produktionszentrums der Rheinoper steuert er von Anfang an die Entstehung der Bühnenbilder. "Am schönsten ist es, wenn ich das fertige Werk bewundern kann", sagt er. "Im besten Licht, bereichert von Musik und mit Leben erfüllt von den Akteuren. Sie lassen es erstrahlen."

Bei Christian Acht laufen die Fäden der verschiedenen Gewerke zusammen. Schlosserei, Tischlerei, Theatermalerei und Deko-Abteilung werden nach und nach in den Bühnenbau eingebunden. "Dieses handwerkliche Zusammenspiel macht unsere Berufe einzigartig", sagt er. "Alles greift ineinander wie nirgendwo sonst." Bei der Premiere sind sie vergessen ‒ die Kämpfe, die Herausforderungen, die Suche nach Lösungen.

Manchmal müssten die künstlerischen Höhenflüge von Regisseur und Bühnenbildner notgedrungen etwas ausgebremst werden, sagt Christian Acht. Mit seinen 38 Mitarbeitern setzt er alles daran, selbst kühnste Ideen zu verwirklichen. "Aber die physikalischen Gesetze lassen sich nicht so einfach außer Kraft setzen", wendet er ein. "Also müssen wir einen Kompromiss finden, was bei mir auch mal zu schlaflosen Nächten führen kann."

Da ist es hilfreich, wenn man das Theater so sehr liebt wie er. Als Maschinenbau-Student geriet er als Statist bei "Turandot" an der Kölner Oper erstmals hinter die Kulissen. "Ich staunte und fragte mich, wer macht das alles? Darüber wollte ich mehr wissen." So fand der Diplom-Ingenieur zu seiner Profession, fing als Konstrukteur am Schauspiel Bochum an, machte danach noch seinen Bühnenmeister und kam vor fünf Jahren an die Rheinoper.

Zunächst werden die Entwürfe in seinem Produktionsbüro zu dreidimensionalen Zeichnungen verarbeitet, das können bis zu 150 sein. Aktuell beschäftigt sich dort Jakob Altrogge mit "Blaubart", Katarzyna Belker mit "Il Barbiere". Christian Acht prüft die Konstruktionen auf Umsetzbarkeit und Statik. "Ich muss überlegen, wie wir die Teile in die Opernhäuser kriegen, ob sie durch Türen und in Aufzüge passen, wie sie aufgestellt und abgebaut werden. Diese logistischen Anforderungen sind in Duisburg leichter zu meistern als auf dem eng begrenzten Raum in Düsseldorf."

Gegenüber von seinem Arbeitsplatz kann er durch ein Fenster in der Wand die zehn Meter hohe Montagehalle überblicken. Auf jeder der vier Seiten gelangt man direkt zu den Gewerken, das schafft kurze Wege. Gerade wird in der Halle eine riesige Stahlkonstruktion für "Herzog Blaubarts Burg" errichtet, eine Koproduktion der Oper mit der Ballett-Compagnie, Regie führt Demis Volpi.

Unter den Verstrebungen werden noch Leuchtstoffröhren befestigt. Eigens für den Transport des stählernen Ungetüms fertigte man Rollwagen mit passgenauen Aussparungen an. "Das Gerüst hat ein Gesamtgewicht von drei Tonnen", erklärt Christian Acht, "das ist mächtig viel. Aber es muss auch Menschen tragen können. Und Eisberge."

An denen werkeln nebenan drei Bühnenplastiker ‒ ein Lehrberuf am Theater. "Wir fügen die Eisberge aus Schichten von Styropor zusammen und verkleben sie mit Bauschaum", erzählt Dennis Bernau. "Die Klötze bearbeiten wir mit Messern, Feilen, Raspeln und Drahtbürsten, damit sie zackig aussehen."

Ein Hexenwerk sei das nicht, wiegelt er ab: "So ein Berg erfordert kein besonderes bildhauerisches Einfühlungsvermögen!" Im Materiallager Plastik stapeln sich Behälter mit Aufschriften wie "Gummimilch", "Lorbeerblätter aus Rheingold", "Muschelscheinwerfer aus Pique Dame" sowie transparente Boxen mit Nessel, Tüll, Mull und Gewebematten.

Bei den Plastikern, im Malersaal, wo die Ausstattung für das Kinderstück "Kiosk" voranschreitet, und in der Dekoration, wo sich Stoffe ballen und Nähmaschinen rattern, sind wir nah dran an der "Illusionsfabrik". Ein Etikett, das sich die Rheinoper für die Vorschau auf "La Clemenza di Tito" verpasst hat. Anschaulich wird in vier Videos das Bühnenbild der Mozart-Oper erläutert. Sie erreichte vor dem Lockdown ihre Premierenreife, ebenso Wagners "Tristan und Isolde". In Arbeit sind die Kulissen für "Il Barbiere", "Meister Pedros Puppenspiel" (mit dem Düsseldorfer Marionettentheater), "Romeo und Julia" und das Ballett "Geschlossene Spiele". Die Aufbauten verschlingen in dem 6500 Quadratmeter großen Produktionszentrum gewaltig viel Platz.

Wie alle sehnt auch Christian Acht den Neubeginn herbei. "Es drückt auf die Stimmung, wenn so gar nichts passiert", sagt er. "Wir vermissen die Rückkoppelung mit den Zuschauern. Uns fehlt die Sinnhaftigkeit unseres Tuns."

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