Lesung in Düsseldorf Mit Monchi in die Badewanne

182 Kilo. Klamotten in 5XL und ein Body-Mass-Index von 49,7. Das war jahrelang Alltag für Monchi, Frontmann der Punkrockband Feine Sahne Fischfilet. Davon erzählte der 34-jährige nun rund drei Stunden lang im Savoy-Theater.

 Monchi, Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet.

Monchi, Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Inzwischen ist Monchi mehr als 60 Kilo leichter und hat sich seine Erfahrungen mit dem „Fettsein“ von der Seele geschrieben. „Niemals satt“ ist der treffende Titel seines Buches, aus dem er Passagen vorlas, unterbrochen von Erinnerungen an peinliche Momente, wie jenen, als er so viel Gewicht auf die Waage brachte, dass die nichts mehr anzeigte. Die Skala reichte nicht so weit.

Lange hat der in Neubrandenburg geborene Sänger nach den Gründen für seine Fressattacken gesucht. Heute kennt er die Auslöser: Stress auf den Tourneen, Fast Food in Raststätten oder Frust, weil er mit den Kumpels nicht mithalten kann. Dann ist da noch die Wut über Situationen, die ihn belasten, wie Bombendrohungen vor Konzerten seiner Band Feine Sahne Fischfilet.

Monchi greift zu. Futtert alles in sich hinein, was da ist und läuft dann los, um Nachschub zu holen. Schleichend legt er an Gewicht zu. Mit den Kilos kommt die Scham. Als er die Kinder seiner Freundin zum Trampolinspringen begleitet, wird ihm schmerzlich bewusst: „Das zulässige Höchstgewicht, um springen zu dürfen, lag bei 115 Kilo“. Um die Kids nicht zu enttäuschen, besorgte er Snacks. „Ich habe den Kindern alles weggefuttert. Damit es nicht auffällt, habe ich alles noch einmal gekauft.“

Monchis Ton ist locker. Das Publikum lacht an den richtigen Stellen. Der Mann hat Humor, keine Frage. Zieht sich auf der Bühne bis auf die Unterhose aus und klettert in eine Badewanne, um zu demonstrieren, wie er stundenlang so an seinem Buch geschrieben hat. Die WG-Mitbewohner seien eher semi-begeistert von seinem kreativen Schub gewesen, bilanziert Jan Gorkow, wie Monchi mit bürgerlichem Namen heißt.

Auch seine Mama kommt zu Wort, als digitaler Einspieler. Aufgenommen im elterlichen Wohnzimmer mit dem Gezwitscher ihres Sittichs im Hintergrund. Immer wieder wechselt Monchi die Klamotten, zeigt wie stolz er war, als das erste XXL-Hemd passte, und wie groß seine Angst war, dass unter seinem Gewicht Stühle zusammenbrechen könnten. Er habe oft einen Rückzieher gemacht, wenn ihm die Sitzgelegenheiten in einem Restaurant nicht stabil genug erschienen, gibt Monchi zu.

Was so locker daherkommt, ist eigentlich ein Seelenstriptease, der einen Eindruck davon vermittelt, wie Monchi Ausflüchte und Entschuldigungen für seine Fressattacken fand. Selbst als ein guter Freund, der mindestens genauso viel auf die Waage brachte, wie Monchi selbst, einen Herzinfarkt bekam und ein befreundeter Arzt ihm erklärte, wie gefährlich sein Übergewicht sei, selbst dann wollte der Sänger seine Situation nicht wahrhaben.

Aber Monchi erzählte auch davon, wie er durch Schwimmen, Radfahren und Laufen in kleinen Schritten Kilos verlor. Sein Fazit: „Ich bin fress-süchtig und ich muss jeden Tag dagegen ankämpfen, aber ich merke durch den Sport, wie es mir besser geht.“ Klar, da wäre auch immer die Angst rückfällig zu werden, wenn der Druck wieder zu groß wird, der Tourstress ihn einholt oder der Frust einer Situation nicht gewachsen zu sein, ihn doch wieder zu Fressattacken verleiten könnte.

Seit sein Buch herausgekommen ist, erreichen den Sänger unzählige Zuschriften von Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und froh sind, dass einmal jemand klare Kante zeigt und sagt, wie es ist. Das ist unterhaltsam zu hören und zu lesen, jedenfalls für alle, die selbst nicht betroffen sind.

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