Interview Susanne Ristow „Tony Cragg kann den Generationenwechsel nicht schaffen“

Tony Cragg hat sich überraschend dazu bereit erklärt, den Vorsitz des Künstlervereins Malkasten zu übernehmen. Nicht alle Mitglieder freut das.

 Die Künstlerin Susanne Ristow.

Die Künstlerin Susanne Ristow.

Foto: Dieter Laakmann

Sie haben sich gemeinsam mit Christoph Westermeier 2020 für den Vorsitz des Malkastens in der Nachfolge von Robert Hartmann beworben. Nun hat Hartmann in letzter Minute Tony Cragg vorgeschlagen. Fühlen Sie sich überrumpelt?

Susanne Ristow Ja. Das entspricht der Art und Weise, wie Hartmann den Verein geführt hat, mit dem Hintergedanken, dass ein System der alten Herren einfach weitergeführt wird. Ich habe damit gerechnet, dass er kurz vor ultimo jemanden aus dem Hut zaubern wird. Aber ich bin überrascht, dass er so eine renommierte und profilierte Persönlichkeit gefunden hat. Es hätte uns engagierte Mitglieder gefreut, wenn Tony Cragg seine Kandidatur beizeiten mitgeteilt hätte.

Sie sind skeptisch?

Ristow Wenn man sich unsere Vereinsstrukturen genauer ansieht, wie vorgestrig sie teilweise noch sind, wie dringend notwendig etwas frischer Wind wäre, dann müsste sich Cragg doch bewusst sein, dass er bei seinem eingeschränkten Zeitkontingent den Generationswechsel gar nicht schaffen kann. Indem er von Hartmann in seinem Abschiedsbrief entgegen geltendem Vereinsrecht völlig undemokratisch zur „Berufung“ und nicht etwa zur Wahl empfohlen wird, ist er aus meiner Sicht leider instrumentalisiert worden.

Er sieht sich als neutrale Person, will helfen und gute Ausstellungen machen. Er macht ein gutes Programm im Skulpturenpark und hat sogar die Klasse der Künste in der Akademie der Wissenschaften und Künste übernommen. Warum erwarten Sie, dass er den Generationswechsel verhindert?

Ristow Es muss Verknüpfungen mit anderen Institutionen, eine starke Öffnung zur Stadtgesellschaft, viele Vermittlungsangebote und mehr Kommunikation und Mitgliederbeteiligung geben. Unser Verein ist laut Satzung kein Ausstellungsverein, sondern ein Ort der Begegnung und Geselligkeit, sozusagen des intensiven Kunstgesprächs. Wir wollen neben Ausstellungen neue Formate und interdisziplinäre Veranstaltungen. Der Malkasten lebt von Künstlern für Künstler, er muss für die jüngere Generation attraktiv sein.

Cragg ist doch kein Verhinderer. Sie wollen also gegen ihn kandidieren?

Ristow Ich könnte mir eine funktionale Doppelspitze vorstellen. Wir sollten zusammen ein Team sein. Der Malkasten war in seiner zeitweisen Spießigkeit, Langeweile und neuen Biedermeierlichkeit ein Spiegel der Gesellschaft. Es ist gut, das zu verlassen.

Was spricht dann gegen ihn?

Ristow Wir waren immer ein Männerclub, der aber die Mitgliederschaft nicht mehr abbildet, denn wir haben viel mehr Frauen als Männer im Verein. Es wäre eh anders, wenn er eine Frau wäre.

Sie reagieren politisch. Würden Sie auch den zweiten Vorsitzenden abgeben?

Ristow Das hängt davon ab, wie man vorher miteinander kommuniziert. Nur dann, wenn sich ein Strukturwandel abzeichnet.

Würden Sie sich auch mit Cragg für Cragg einsetzen?

Ristow Wir würden uns für einen gemeinsamen Neuanfang stark machen, natürlich. Ich bin absolut begeistert, dass er seine Zeit und seine Kraft für den Verein einsetzen möchte. Ich kenne ihn seit den 1990er Jahren, ich schätze ihn sehr, und ich finde seine Arbeit hochinteressant.

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