Konzert von Jennifer Rostock in Düsseldorf Ausrasten von der ersten Sekunde an

Düsseldorf · Die Band Jennifer Rostock will sich eine Pause gönnen. Doch vorher dreht sie nochmal richtig auf: Beim Konzert in Düsseldorf gab es keine Stimmungstiefs.

Normalerweise haben Rock- und Popkonzerte eine Stimmungskurve, die erst langsam nach oben geht, nach einem kurzen Höhepunkt nochmal sinkt — zum Beispiel in einem Akustik-Set — und dann wieder zum krachenden Finale ansteigt.

Anders ist das beim Konzert von Jennifer Rostock in der Mitsubishi-Electric-Halle in Düsseldorf. Da gibt es keine Kurve, sondern bloß absolutes Ausrasten — von der ersten Sekunde an.

Wahrscheinlich liegt es am Hauch von Abschied, den die Wahl-Berliner mit auf ihre Tour gebracht haben: Nach zehn Jahren Bandgeschichte wollen Jennifer Rostock eine Zäsur setzen, sich eine Pause gönnen und andere Ideen und Projekte verfolgen. Aber erst gibt es für die Fans noch einmal Hits, Hits, Hits.

Dabei wird eins schnell klar: Auch nach einer Dekade hat die Band nicht wirklich Lust auf ein Unplugged-Album. Nachdem sie den rund 7000 Fans in der fast ausverkauften Halle als Mini-Ruhepause einen runter geregelten Song nur mit Klavierbegleitung gegönnt haben, "Irgendwo anders", drehen sie gleich wieder voll auf: "Es war nicht alles schlecht" klingt wie die typisch irre Mischung der Band, die es vor zehn Jahren von Usedom nach Berlin verschlagen hat — der Song klingt nach Neue-Deutsche-Welle-Punkrock-Heavy-Metal-Pop.

Video zeigt Bandgeschichte rückwärts

Die Rückschau zelebrieren Jennifer Rostock nicht nur mit einer Setlist mit Titeln aus allen Alben, sondern auch einem langen Video, das dem bis in die Haarspitzen aufgekratzten Publikum vor dem Auftritt gezeigt wird: Es geht rückwärts die Bandgeschichte durch von 2017 bis 2008, zeigt markige Talkshow-Auftritte, verrückte Kostüme und Frisuren, mal mehr, mal weniger Blech im Gesicht der Frontfrau Jennifer Weist — und natürlich auch einen Ausschnitt aus ihrem Anti-AfD-Video.

Sobald der Mini-Schnipsel eines Songs aufscheint, singen die Fans sofort mit. Beim Konzert dann jede Zeile. Jennifer Weist trägt selbstverständlich auch an diesem Tag ein — sagen wir — eher extrovertiertes Outfit: Einen weiß-neonfarbenden Fransen-Umhang über knallbuntem Body und tätowierten Beinen. Fast alle ihre Zwischenansagen schreit sie: "Danke, dass ihr uns immer die Treue gehalten und diese beschissenen Frisuren ertragen habt!!!"

Man kann gar nicht sagen, wann die Stimmung hier am meisten kocht: Etwa beim Rammstein-trifft-Hip-Hop-Stück "Ein Schmerz und eine Kehle". Oder wenn zum eruptiven Gesang Flammen aus dem Boden schießen und die Sängerin Pogo-Kreise befiehlt. Oder zum feministischen Super-Hit "Hengstin" oder oder...

"In den ganzen Jahren konnten wir unsere Fresse nicht halten, wenn zum Beispiel die Bild-Zeitung ungefragt meine Brüste abbildete oder die AfD in den Mecklenburger Landtag einzog", sagt Jennifer Weist kurz vor den Zugaben. "Wenn wir jetzt ganz kurz weg sind, dann unterstützt doch bitte andere Bands, die ihre Fresse auch nicht halten können."

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