Nachruf Pop-Ästhetik aus Friedrichstadt

Düsseldorf · Der Musiker und Produzent Bodo Staiger ist mit 70 Jahren gestorben. In den 70er und 80er Jahren prägte er die Düsseldorfer Szene.

 Bodo Staiger in seinem Studio an der Corneliusstraße.

Bodo Staiger in seinem Studio an der Corneliusstraße.

Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

Das meterbreite Mischpult war opulent mit Mahagoni verkleidet, das edle Holz mit den Jahren noch einmal deutlich nachgedunkelt. Gedämpftes Licht beleuchtete die einzelnen Kanalzüge, die analoge Konsole verströmte den Geruch einer anderen Zeit in dem kleinen Regieraum in Friedrichstadt. Das Pult hatte einmal dem legendären Produzenten Conny Plank gehört, bevor es seinen Weg in ein Hinterhaus an der Corneliusstraße fand. Stand man im gegenüberliegenden Aufnahmeraum des Tonstudios 3Klang Records und damit unmittelbar neben der aus gelben und blauen Neonröhren geformten Gitarre, die so etwas wie das Symbol der Popgruppe Rheingold war, und sah durch die getrübte Scheibe, so konnte man Bodo Staiger wie durch Frühnebel in seiner experimentellen Klangküche beobachten. Konzentriert arbeitete er dort noch bis vor kurzem an neuen Sounds made in Düsseldorf. In der vergangenen Woche ist der Musiker, Produzent und Toningenieur Bodo Staiger im Alter von 70 Jahren gestorben.

Alles war bei Bodo Staiger im Fluss. Das verdeutlicht nicht nur die Gestaltung der vier legendären Platten und ihrer Cover, die er mit seiner Band Rheingold ab 1980 auf den Weg gebracht hatte, das zeigte sich schon bei der Wahl des Bandnamens. Staiger war stets auf der Suche nach dem musikalischen Schatz, der irgendwo in den Tiefen seiner Fantasie darauf wartete, gehoben zu werden.

Auf die Suche nach dem neuen Klang begab sich der begnadete Gitarrist erstmals in den 1960er Jahren, als er in Düsseldorf Beat-Festivals in der Tonhalle, die damals noch Rheinhalle hieß, spielte. Man coverte die Musik britischer Beat-Bands wie den Hollies und den Kinks und perfektionierte damit ganz nebenbei sein eigenes Spiel. Eigene Musik war es indes noch nicht, die die Jungs auf die Bühne am Rhein hoben, es war eher die zaghafte Suche nach dem eigenen Sound, der sich im Laufe der kommenden Jahre entwickeln sollte.

Musikalisch sozialisiert wurde Staiger schließlich auch nicht über die Einflüsse aus England, es waren die Kreativen aus seiner Heimatstadt Düsseldorf, die ihn musikalisch auf die Spur brachten. Er spielte gemeinsam mit Marius Müller-Westernhagen in der Rockband Harakiri Whoom und lebte mit Karl Bartos, dem späteren Schlagzeuger und Mitkomponisten der Band Kraftwerk, mit dem er 1971 auch die Jazz-Rock-Formation Sinus gegründet hatte, in einer WG in Pempelfort. Er hatte mit dem Produzenten Konrad Plank in dessen Studio in Wolperath gearbeitet und mit dem Schlagzeuger Klaus Dinger im Proberaum gejammt. Der hatte zu Beginn der 1970er Jahre mit den Bands Neu! und La Düsseldorf die musikalische DNA der Stadt erheblich mitgeprägt. Mitte bis Ende der 1970er verstärkte Staiger als Gitarrist die Lilac Angels, eine rocklastige Formation, bevor er seine Erfahrungen als Multiinstrumentalist in das Gewand einer eigenen, kühlen und tanzbaren Popästhetik einfließen ließ.

Herausgekommen ist dabei unter anderem einer dieser Songs, der einem nicht mehr aus dem Kopf will, wenn man ihn morgens zufällig im Radio hört. Ganz besonders der lyrisch anmutende Text ist es, der sich, gepaart mit einer rhythmisch präzise gespielten Gitarre und einer entzückend eingängigen Melodie, tief in den Gehörgang schraubt. Und dabei ist das Stück „Dreiklangsdimensionen“ viel mehr als nur ein Ohrwurm. Dieser Song war auch so etwas wie ein Aufbruch in eine neue, in eine andere musikalische Epoche der Stadt. Die große elektronische Band Kraftwerk war zu dieser Zeit längst etabliert, das Thema Punk war durch. Die Protagonisten jener Zeit suchten nach neuen Wegen, sich musikalisch auszudrücken, als Staiger mit seiner dreiköpfigen Band, bestehend aus Lothar Manteuffel und Brigitte Kunz, die später seine Frau werden sollte, 1980 das gleichnamige Album produzierte. Und insbesondere das Titelstück galt, 1981 als Single ausgekoppelt, als Vorreiter der neuen Deutschen Welle. Dabei, so erklärte Staiger, waren wir das nie.

Die zweite Platte des Trios, „R.“, veröffentlicht 1982, lieferte den Soundtrack zum Film „Der Fan“, in dem Staiger neben Désirée Nosbusch in der Hauptrolle zu sehen ist. Nach dem 1984 veröffentlichten Album „Dis-Tanz“ legt Staiger seine Band auf Eis. Zu dieser Zeit hatte ihn das Studio-Fieber gepackt und er begann, andere Bands, darunter auch die Düsseldorfer Band Er France, zu produzieren.

Erst 2017 sendet Staiger neue Rheingold-Signale von der Corneliusstraße: „Im Lauf der Zeit“ führte noch einmal vor, wie zeitlos selbst aktuelle Kompositionen des Multiinstrumentalisten sein konnten. Das Tragische: Für das kommende Jahr hatte Bodo Staiger geplant, mit Rheingold auf Tour zu gehen. Live-Konzerte hatte die Band in ihrem rund 40-jährigen Bestehen nie gespielt.

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