Düsseldorf Jugendliche führen "Anatevka" auf

Düsseldorf · Das Jugend-Sinfonieorchester präsentierte das Musical in einer großartigen konzertanten Aufführung in der Tonhalle.

Ernst von Marschall, Dirigent des Jugendsinfonie-Ochesters der Tonhalle, war die treibende Kraft für eine außergewöhnliche konzertante Aufführung. Als Spezial-Ausgabe der Reihe "Big Bang" kam das Musical "Anatevka" vor fast ausverkauftem Haus auf die Bühne. Erstmals saßen die jungen Musiker des U-16-Orchesters auf diesem Podium. Auch die Zusammensetzung der Mitwirkenden war eine Premiere: Zu Solisten der Gesangsklassen der Robert Schumann Musikhochschule Düsseldorf gesellte sich der Chor "Shalom aleichem" der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Weil auch Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft unter den Musizierenden waren, sprach Ernst von Marschall von einer gelungenen Zusammenführung der Religionen. "Anatevka" kündigte er als Vorgeschmack auf die Jüdischen Kulturtage 2015 an, deren Eröffnung in der Tonhalle stattfinden wird.

Als Erzählerin führte Bianca Künzel, Dozentin für Sprecherziehung, in den Kosmos des russischen Dorfes "Anatevka" ein. Dort sei jeder ein "Fiedler auf dem Dach", wie das Musical im Original heißt ("Fiddler On The Roof"). Und jeder fühle sich der Tradition verpflichtet, ohne die der Alltag nicht denkbar sei. Der konnte hart sein in Anatevka, besonders für einen wie den Milchmann Tevje. Fünf Töchter muss er ernähren und unter die Haube bringen. Mit Gereon Grundmann, stattlich, bärtig und bezopft, war diese Rolle perfekt besetzt. Das berühmte "Wenn ich einmal reich wär" sang er mit kraftvoller Stimme und professionellen Gebärden. Ihm zuzuhören, war ein Genuss – entsprechend reichlich fiel der Applaus für ihn aus. Der Student aus der Klasse Ludwig Grabmeier ist bereits ein erfahrener Sänger. Im Oktober 2013 bildete Gereon Grundmann mit Kommilitonen und Campino von den "Toten Hosen" ein Quintett und trat mit Stücken der "Comedian Harmonists" auf. Rebecca Vranidis überzeugte mit klarer Stimme als Ehefrau Golde, und auch Kim Fugenzi konnte als Tochter Hodel, die bei der Heirat ihren Kopf durchsetzt, die Zuhörer berühren. Insgesamt boten alle Solisten eine beeindruckende Leistung. Auch wenn einige Stimmen etwas verhalten blieben und nicht immer bis in die letzte Reihe trugen.

Umso mitreißender trumpfte Courtney Elise Lebauer auf. Die Solo-Violonistin war das Bindeglied bei dieser Produktion: Sie gehört sowohl der Leitung des Jugendsinfonie-Orchesters als auch der Jüdischen Gemeinde an. Deren 1998 gegründeter Chor "Schalom aleichem" hat 45 Mitglieder und ein Repertoire von 100 Werken – religiöse Gesänge, Klassik, Unterhaltungsmusik. Die Lieder für "Anatevka" studierte Chorleiterin Rozaliya Chufistova tadellos ein. Mit Ernst von Marschall hatte die Aufführung einen temperamentvollen Dirigenten, der Chor und Musiker mit wippendem Körpereinsatz sicher durchlotste. Bis hin zum eigentlich pessimistischen Ende: Die Juden werden von den zaristischen Machthabern aus ihrem Dorf vertrieben und machen sich mit melancholischem Gesang auf den Weg in eine ungewisse Zukunft. In der Tonhalle aber schaltete Ernst von Marschall danach alles auf Anfang. Erneut wurde das Prolog-Lied "Tradition" geschmettert – und dem begeisterten Publikum damit ein schwungvoller Ausklang beschert.

(RP)
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