Umstellung kostet mehr als 100 Millionen Euro Einige Düsseldorfer Gymnasien verlieren wegen G9 Klassen

Die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ist eine Herkulesaufgabe. An manchen Standorten fehlen Räume. Wer nicht aus- und anbauen kann, muss weniger Schüler aufnehmen. Die Umstellung kostet mehr als 100 Millionen Euro.

 Kim und Glenn (v.l.) sind davon überzeugt, dass in einem neunjährigen System besser auf den Einzelnen eingegangen wird.

Kim und Glenn (v.l.) sind davon überzeugt, dass in einem neunjährigen System besser auf den Einzelnen eingegangen wird.

Foto: Anne Orthen (ort)

Die Umstellung der Gymnasien auf eine neunjährige Laufzeit (G9) gewinnt an Kontur. Mehr als 100 Millionen Euro wird das Projekt nach Einschätzung der Stadt insgesamt kosten. Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Werden alle Gymnasien auf G9 umgestellt? Zumindest bei den 18 städtischen Gymnasien ist das sehr wahrscheinlich. „Mir ist keines bekannt, das bei G8 verbleiben möchte“, sagt Stadtdirektor Burkhard Hintzsche. Aktuell beraten die Gremien, darunter die mit Eltern, Schülern und Lehrern besetzten Schulkonferenzen, das Thema.

Sie wären es auch, die ausnahmsweise einen Verbleib im achtjährigen System verbindlich beschließen müssten. Die Leitentscheidung des Landes, G9 ab dem kommenden Schuljahr zum Regelfall zu machen, gilt nicht für die privaten und kirchlichen Schulen. Dort läuft die Meinungsbildung derzeit noch.

Wird es neue Räume geben? Ja. „Wir rechnen mit mindestens 85 neuen Klassenräumen“, sagt Hintzsche. Neubauten hält der Spitzenbeamte für unausweichlich, „weil wir an vielen Standorten nicht weiter anbauen können“. Die eigentliche Veränderung tritt bereits 2023/24 ein, weil ab diesem Schuljahr die 10. Klassen erstmals in der Sekundarstufe I verbleiben, bislang gehörten sie zur Oberstufe. Der Wechsel dieser Stufe hat Auswirkungen auf Klassenstärke und Raumbedarf.

Lässt sich der Mehrbedarf ohne Weiteres umsetzen? Nein. Die Verwaltung prüft, welche Gymnasien ab 2023/24 einen zusätzlichen Jahrgang in der Sekundarstufe I „im vorhandenen Bestand“ unterbringen können. Bejaht wird das bislang für das Max-Planck-Gymnasium.

Außerdem wurden bei einigen Schulen bereits begonnene oder geplante Baumaßnahmen an den zusätzlichen Raumbedarf angepasst. Das gilt für die Neubauten des Gymnasiums in Grafental, des Luisen-Gymnasiums und des Wim-Wenders-Gymnasiums sowie für die Erweiterung des Comenius- und des Lessing-Gymnasiums sowie eine Baumaßnahme am Rückert-Gymnasium. In einigen Fällen kann es laut Verwaltung wegen der Neuplanung „zu vertretbaren Verzögerungen“ kommen.

Wird es weniger Klassen pro Jahrgang geben? Das ist denkbar. „An einigen Standorten prüfen wir derzeit, ob wir den Mehrbedarf durch Um- und Anbauten oder Dependancen sicherstellen können. Wenn nötig, werden wir dann Anfang 2019 ein G9-Maßnahmenpaket in den Rat einbringen“, sagt Hintzsche. Wo keine baulichen Spielräume existieren, wird es künftig womöglich weniger Klassen pro Jahrgang („Züge“) geben. „Für solche Fälle haben wir uns mit der Bezirksregierung darauf geeinigt, im Durchschnitt einen halben Zug pro Jahrgang abzubauen“, meint der Dezernent.

Was sagen die Betroffenen? „Bei G8 fehlt es oft an den Freiräumen, die das Gros der jungen Menschen für ihre Persönlichkeitsbildung dringend brauchen“, sagt Antje Schuh, Vorsitzende der Elternschaft Düsseldorfer Schulen (EDS). Ähnlich schätzt das Ira Slavutski ein. Die 30-Jährige unterrichtet am Georg-Büchner-Gymnasium Französisch, Englisch und Russisch. „In G8 beginnt die zweite Fremdsprache bereits mit der sechsten Klasse. Viele Schüler hat das überfordert. Künftig wird das erst ab Klasse 7 der Fall sein, das ist besser“, sagt sie.

Schüler Glenn Steudel (18) war früher auf einem G8-Gymnasium. „Oft ging der Unterricht bis 16 Uhr, obendrauf kamen noch anderthalb Stunden Hausaufgaben und Klausurvorbereitung – es war zu viel“, sagt er und ist froh, dass er durch den Wechsel aufs Büchner-Gymnasium ein Jahr länger Zeit fürs Abitur hat. Kim Schäfer (18), die ebenfalls G8-Erfahrung hat, geht es genauso. „Der damalige Mathelehrer hatte keine Zeit, auf Schwächere einzugehen. Wer aus dem Tritt kam, fiel im Zweifel durchs Raster.“

Unser Autor findet, dass das Land sich an den Kosten für die Umstellung auf das neunjährige Gymnasium stärker beteiligen muss.

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