Düsseldorf Aidskranke raten Schülern zu Kondomen

Düsseldorf · Bei der Düsseldorfer Aidshilfe diskutierten Neuntklässler mit Betroffenen über ihre Krankheit. Die Diskussion zeigte auch, dass nicht alle Jugendlichen gut aufgeklärt sind. Der richtige Umgang mit Sexualität bleibt ein Thema.

 Helmut Kiolbassa (5.v.r.) leitet den Bereich Prävention bei der Aidshilfe und lädt häufig Schulklassen zum Gespräch mit Betroffenen ein, um über HIV zu informieren.

Helmut Kiolbassa (5.v.r.) leitet den Bereich Prävention bei der Aidshilfe und lädt häufig Schulklassen zum Gespräch mit Betroffenen ein, um über HIV zu informieren.

Foto: Andreas Bretz

Als Kathi den Raum mit dem roten PVC-Boden betritt, richten sich sämtliche Blicke auf sie. Die Schüler, die dort auf sie gewartet haben, stecken die Köpfe zusammen und tuscheln: "Schau mal, die dünnen Beine." Spannung liegt in der Luft in der Düsseldorfer Aidshilfe, fast Aufregung. Kathi (53) ist HIV-positiv und will an diesem Nachmittag den Mädchen und Jungen der neunten Klasse von ihrem Schicksal berichten. Nie zuvor kamen die Jugendlichen so nah mit der Krankheit in Berührung. Als Kathi sich setzt, ist das Tuscheln vorüber. Keiner sagt mehr ein Wort.

Gut zwei Dutzend Neuntklässler sind am Weltaidstag mit ihrer Lehrerin in die Räume der Düsseldorfer Aidshilfe in Bilk gekommen. Sie wollen mehr über das noch immer grassierende HI-Virus wissen und Prävention lernen. Kathi will ihnen dabei helfen. Die gelernte Floristin, die seit ihrer Infizierung vor 25 Jahren an einer Heroinspritze Rentnerin ist, erzählt entwaffnend offen von ihrer Krankheit. Kathis dünne Beine, Blickfang für die Schüler, sind Nebenwirkung ihrer lebensnotwendigen Medikamente.

Seit 1990 lädt die Aidshilfe Düsseldorf regelmäßig Schulklassen zu sich ein. Anfangs kamen die zehnten Klassen, seit sich die Jugendlichen schneller entwickeln, sind es eher neunte Klassen. Helmut Kiolbassa leitet den Bereich Prävention bei der Aidshilfe. "Viele haben noch das Bild von der zwingend tödlich verlaufenden Infektion im Kopf", sagt er. Doch die Therapiemöglichkeiten hätten sich in den letzten Jahren stark verbessert. "Schüler, die zu uns kommen, erleben die Problematik sehr viel umfassender und tiefgründiger als auf Plakaten und in Broschüren", findet Kiolbassa.

Im Mittelpunkt steht das Gespräch zwischen Schülern und Betroffenen. Auch Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke, die an diesem Nachmittag vorbeischaut, nimmt sich zurück. Ulf ist 44 Jahre alt, erfuhr im März 1997, dass er HIV-positiv ist und stellt sich ebenso regelmäßig den Fragen der Jugendlichen wie Kathi. "Es gibt keine Tabus, keine Frage ist zu privat", lädt Ulf zur Offenheit ein.

Im Stuhlkreis wird es persönlich, und die anfängliche Aufregung der Schüler wird zu Neugier. Ob sie seit ihrer Infizierung je wieder Sex hatten, will ein Mädchen wissen. Ulf lacht: "Ja, natürlich habe ich Sex." Doch der Weg dahin sei lang. "Jemanden kennenzulernen ist sehr schwierig. Wann sage ich es ihr?" Seine Freunde, die stets zu ihm standen, hätten ihm geholfen. Ulf, der sich bei einem One-Night-Stand infizierte, nutzt die Frage noch für einen Appell: "Es gibt immer noch Leute, die genauso blöd sind wie ich und das Kondom vergessen."

Dem 15-jährigen Nick Märtens hat der Auftritt von Kathi und Ulf schwer imponiert. "Die Eindrücke aus dem Leben der Betroffenen hätten wir im Unterricht so nicht bekommen." Und auch sein Mitschüler Maximilian Hebel (14) ist beeindruckt. "Die Einschränkungen, die Krankheit und Therapie auch finanziell mit sich bringen, sind sehr groß."

Bis zu 27 verschiedene Tabletten müssen Ulf und Kathi am Tag nehmen. "Aber keiner soll auf die Idee kommen, er könne sich infizieren, hinterher ein paar Pillen nehmen und alles ist gut", warnt Ulf.

(RP)
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