63-Jährige für Mord in Köln verurteilt „Ihrem Bruder das Lebensrecht abgesprochen“

Köln · Eine 63 Jahre alte Frau mischt ihrem schwerkranken Bruder einen tödlichen Medikamenten-Cocktail in seinen Bananen-Shake. Weil er es wollte, sagt sie. Das Gericht sieht das anders. Sie muss nun lebenslang in Haft.

 Die Angeklagte Ursula N. (r.) mit ihrer Verteidigerin Ulrike Tasic im Kölner Landgericht. (Archivbild)

Die Angeklagte Ursula N. (r.) mit ihrer Verteidigerin Ulrike Tasic im Kölner Landgericht. (Archivbild)

Foto: RPO/Claudia Hauser

Der Tod sei nicht unbedingt etwas Schlechtes, hatte die Angeklagte Ursula N. im Prozess am Landgericht Köln gesagt. „Der Tod ist auch die Erlösung.“ Doch dass die 63-Jährige ihrem schwer behinderten Bruder einen sehnlichen Wunsch erfüllt hat, als sie ihm im September 2021 einen tödlichen Medikamenten-Cocktail in seinen Bananen-Shake mischte, glaubt das Gericht ihr nicht. „Es ging um Sie“, sagt die Vorsitzende Richterin der 11. Großen Strafkammer am Mittwoch. „Ihre Bewertung der Situation war leitend für Ihr Handeln – es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Sterbewunsch Ihres Bruders.“

Sie verurteilt Ursula N. wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Die Angeklagte schüttelt während der Urteilsbegründung immer wieder den Kopf. Sie hatte die Tat früh gestanden, aber behauptet: „Ich wollte meinen Bruder vor einem langen Siechtum im Pflegeheim bewahren.“ Sie hatte den älteren Bruder jahrelang in dessen Wohnung in Köln betreut. 2021 bestellte eine Amtsrichterin aber einen neuen Betreuer und empfahl eine dauerhafte Unterbringung des 64-Jährigen in einer Pflegeeinrichtung. Ursula N. wollte daraufhin sowohl das Leben ihres Bruders als auch ihr eigenes beenden. Sie überlebte die Medikamenten-Überdosis aber, die sie einnahm, als ihr Bruder bereits tot war.

Das Gericht glaubt ihr nicht, dass alles mit dem Einverständnis des Bruders geschah. Dass er angeblich sterben wollte, sagte Ursula N. erstmals vier Tage nach der Tat in der Justizvollzugsanstalt. Weder in einem ihrer Abschiedsbriefe an ihre anderen Geschwister und ihre drei Kinder noch gegenüber der Polizei hatte sie den angeblichen Todeswunsch erwähnt. Die Kammer hält die Aussage für eine reine Schutzbehauptung. „Wenn das der Grund für die Tat war, warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“, fragt die Vorsitzende. Die angebliche Angst der Angeklagten, ihr Bruder könne „dahinsiechen“ sei völlig übertrieben gewesen. Im Gegenteil: Der Bruder hatte mehreren Zeugen gegenüber den Wunsch geäußert, in ein Heim zu wollen – auch, weil er sich offenbar zu sehr gegängelt fühlte von seiner Schwester. Ursula N. hat zugegeben, ihn manchmal „hart angefasst“ zu haben, aber nur, um ihn etwa vor einem Unfall zu schützen.

„Er wollte von ihr weg“, hatte eine Nachbarin im Prozess gesagt. Ein psychiatrischer Gutachter hatte ausgeführt, dass der Bruder, der seit einem Motorradunfall in seiner Jugend vor allem kognitiv stark eingeschränkt war, gar keinen belastbaren Sterbewunsch habe äußern können – selbst wenn er ihn gehabt hätte. Auch ein „eigenwilliges finanzielles Vorgehen“ der Angeklagten kam in der Urteilsbegründung zur Sprache. So hatte sie sich etwa 39.000 Euro aus einer Lebensversicherung ihres Bruders auf ihr eigenes Konto überwiesen. Eine Tötung auf Verlangen schließt das Gericht aus. „Sie haben ihrem Bruder das Lebensrecht abgesprochen“, sagt die Vorsitzende.

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