Polen Land der Weber und Schleierherren

Im malerischen Hirschberger Tal am Fuße des Riesengebirges in Polen befinden sich tolle Schlosshotels. Dort waren sogar schon Könige und spätere US-Präsidenten zu Besuch.

 Im Schloss Wernersdorf residierten schon der Preußenkönig Friedrich II. und ein späterer US-Präsident.

Im Schloss Wernersdorf residierten schon der Preußenkönig Friedrich II. und ein späterer US-Präsident.

Foto: Manfred Lädtke

Frühmorgens im Hirschberger Tal, wenn die Sonne sich hinter dem Riesengebirge versteckt, stiefelt Elisabeth von Küster zu ihrem Traktor. Für die Gutsherrin ist rund um ihr Schlosshotel im polnischen Lomnitz immer etwas zu tun. Die Gäste lassen es sich in dem barocken Palast oder im blumenreichen Park gut gehen und bekommen vom Arbeitsalltag kaum etwas mit. Wer jedoch Niederschlesiens 300-jährige Schlossgeschichte verfolgen möchte, dem steht die Unternehmerin auch in Arbeitshose und Lederschürze Rede und Antwort.

70 Kilometer von Görlitz entfernt, reihen sich im Vorgarten des Riesengebirges auf engstem Raum Dutzende prachtvolle Schlösser und Herrenhäuser. Polnischer und preußischer Adel, Landbesitzer und begüterte Leinenhändler ließen hier pompöse Residenzen errichten. Nach dem Zweiten Weltkrieg bröckelte die Pracht, die Anwesen verfielen. Das Hirschberger Tal geriet in Vergessenheit. Bis der polnische Staat und Nachfahren vertriebener Adelsgeschlechter die verwahrlosten Schätze wieder auf Hochglanz polierten und als Nobelherbergen für Touristen öffneten.

Unternehmer wie der erfolgreiche Kaufmann Christian Menzel fanden in dem weltentrückten Tal das, was sie für florierende Geschäfte mit dem begehrten feinen Stoffjuwel brauchten: Flachs, Fließgewässer, Bleichwiesen und die fleißigen Hände armer Landarbeiter. Das erzielte Vermögen der Handelsherren mit der Technik des Schleierwebens gestattete einen Lebensstil, der den des Landadels oft übertraf. Damals waren Herrschaften im Land der Schleierherren mit luxuriösen Kutschen unterwegs, Arbeiter setzten auf schwere Fuhrwerke. Heute bedarf es schon automobiler Flexibilität oder wenigstens eines leistungsstarken Fahrrads, um das aus dem Rahmen fallende polnische Kulturerbe zu erkunden.

 Die romantische Residenz Schildau wurde nach einem Brand 2007 als Hotel neu eröffnet.                                

Die romantische Residenz Schildau wurde nach einem Brand 2007 als Hotel neu eröffnet.                                

Foto: Manfred Lädtke

15 Kilometer von Lomnitz entfernt wartet bereits der nächste Prachtbau auf die Kultururlauber: Das Schlosshotel Stonsdorf punktet mit der vielleicht heimeligsten Zimmermöblierung aller Edelherbergen. Ein pompöser Festsaal, knarzendes originales Eichenparkett, englische Teppiche, Stuckdekors, Wandgemälde sowie Tapeten mit historisch anmutenden Mustern empfangen den Besucher. Vor den Fenstern öffnet sich ein dreieinhalb Hektar großer Landschaftspark zum Verlaufen. Unter riesenhaften Felsformationen wachsen Heidelbeeren, die Waclaw Dzida für die Herstellung eines flüssigen Stoffs nutzt. „Die Früchte pflücken wir für unseren Likör „Stonsdorf“, erzählt der Hotelier, der vor 25 Jahren auf einer Radtour den heruntergekommenen einstigen Fürstensitz zufällig entdeckte. Die schlosseigene Kreation „Likier Staniszowski“ sei etwas süßer, nicht zu verwechseln mit der alten Rezeptur des „Echt Stonsdorfer Bitter“. Der ist zwar eine Marke aus dem Riesengebirge, wird seit 1945 aber in Norddeutschland hergestellt.

Produziert wurde früher auch im Schloss Wernersdorf. Im Erdgeschoss, wo jetzt kulinarische Delikatessen auf den Tisch kommen, weichten Arbeiter gewebte Stoffe in Wasser ein und breiteten sie zum Bleichen auf Wiesen vor dem Dreiflügelgebäude aus. Prominenz begegnete sich im Obergeschoss. Und auch ohne Wellness mit direktem Zugang zu einem See, fühlten sich in dem Schloss damals schon der „Alte Fritz“, Preußenkönig Friedrich II., der Dichter Friedrich Gottfried Klopstock oder der spätere sechste US-Präsident John Quincy Adams wohl. Eine Familie aus dem Saarland kaufte als Nachfahre der letzten deutschen Besitzer 2005 den Landsitz und setzte ihn behutsam instand. Mit „Liebhaberaugen“ haben seine Eltern ihren Besitz gestaltet, versichert Hausherr Christoph Hartmann. In einem blauen Kachelstübchen leuchten 300 Jahre alte handbemalte Delfter Unikate an den Wänden. Für die malerische Dekoration des barocken Ballsaals griff Christoph Wetzel zur Farbpalette. Der hatte auch die Kuppel der Dresdener Frauenkirche geschmückt.

In der Heimatstube des „12 Apostel“-Ensembles zeigt eine gelernte Weberin die Kunst ihres Handwerks. 

In der Heimatstube des „12 Apostel“-Ensembles zeigt eine gelernte Weberin die Kunst ihres Handwerks. 

Foto: Manfred Lädtke

So viel Glanz und Gloria gab es für die Weber nur im Märchen. Im schmucklosen Schömberg vermitteln zwölf restaurierte Wohnhäuser einen Eindruck vom erbärmlichen Wohnalltag der Weberfamilien. Die von Zisterziensern im 18. Jahrhundert gebauten und immer noch bewohnten sogenannten „12 Apostel“ sowie ein Webstübchen können nach vorheriger Anmeldung beim Touristenbüro besucht werden.

Der Industrialisierung folgte schließlich auch im Hirschberger Tal der Niedergang der Leinenweberei. Mit maschinell und billiger produzierter Baumwolle konnten Fabrikanten nicht mithalten und senkten drastisch die Ankaufspreise für die Webstoffe aus Heimarbeit. Zu diesem Zeitpunkt hing die Zukunft der Handweberei aber schon an einem seidenen Faden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort