Deutschland entdecken Die schönsten Schlösser und Burgen in Sachsen

Sachsen · An der Zschopau in Mittelsachsen laden Burgen und Schlösser wie aus einem Bilderbuch zur Zeitreise ein. Wie eine Perlenkette reihen sich die historischen Gebäude in der Motorradstadt.

Burg Scharfenstein bewacht seit 1250 das Zschopautal.

Burg Scharfenstein bewacht seit 1250 das Zschopautal.

Foto: Martin Wein

Die Schlossallee ist im Monopoly-Spiel seit Jahrzehnten der Sehnsuchtsort schlechthin. Gleiches gilt auch für die Schlossallee in Lichtenwalde, nur eine halbe Autostunde nordöstlich von Chemnitz. Unter 94 schattenspendenden Linden hindurch und auf urigem Kopfsteinpflaster spaziert man an den einstigen Remisen mit Galerien, Kaffeeladen und dem zünftigen Schlossgasthaus vorbei schnurstracks hinein in einen barocken Traum. Auf einem steilen Felssporn hoch über dem weitgehend naturbelassenen Zschopau-Tal thront ein Lustschloss wie aus dem Bilderbuch. Drei Flügel mit Turm, ein Teehaus im Hof und die Schlosskapelle aus dem 15. Jahrhundert schmiegen sich in eine barocke Parkanlage mit langen Sichtachsen und versteckten Winkeln, die von Anfang an auf den visuellen Effekt hin konzipiert wurde.

Schon kurz nach der Parkanlage im frühen 18. Jahrhundert hatten die Grafen Vitzthum von Eckstädt als Hausherren Besucher bei Rundgängen durch den Park beeindruckt. „Vor einer Führung wurde der Wasserturm, in dem das Wasser aus der Zschopau damals gespeichert wurde, vollgepumpt. Das Wasser reichte genau, um alle Brunnen während der Führung einmal in Betrieb zu nehmen“, erklärt Maria Schade aus der Schlossverwaltung.

300 Wasserspiele sind es noch heute, von den kleinen Wasserschalen entlang der zentralen Sichtachse bis zum großen Finale mit den sogenannten Sieben Künsten in einem runden Becken auf einer Aussichtsterrasse, von der das Wasser über einen künstlichen Wasserfall zurück in den Fluss rauscht. Beim Abstieg in den Garten sorgte eine Fontäne in der letzten Stufe der Schlosstreppe, die den Damen direkt unter die Reifröcke spritzte, regelmäßig für großes Hallo. Heute wird sie von einer Lichtschranke gesteuert, beschert aber nur noch Sandalenträgern nasse Füße. Die Zschopau war in früheren Jahrhunderten nicht nur lange Zeit Grenze zwischen Ost und West, sondern auch Handelsweg vor allem für Holz von Nord nach Süd.

So reihten sich an dem 130 Kilometer langen Nebenfluss der Mulde von Schloss Waldheim im Norden bis Wolkenstein im Süden gleich zehn Burgen aneinander. Einige wurden mit der Zeit abgerissen und wie in Lichtenstein durch Schlösser ersetzt und bieten Grund genug, der Region jenseits der einstigen Residenzstadt Dresden und Schloss Pillnitz einen Besuch abzustatten. In Lichtenwalde hat immerhin in der Bibliothek und vor allem im restaurierten chinesischen Salon der barocke Prunk den Großbrand 1905 und die Plünderung der Roten Armee 1945 ebenso überdauert wie die DDR-Jahre, in denen das Schloss zeitweise Tuberkulose-Kranken zugewiesen wurde. Der Rest der Schlossanlage erstaunt mit erlesener Kunst aus Westafrika, Ostasien und dem Himalaja mitten in der sächsischen Provinz.

Ein paar Kilometer weiter südlich am Rand des Erzgebirges führen wahlweise eine historische Drahtseilbahn oder ein Wanderweg hinauf zum riesigen Jagdschloss Augustusburg. Das weiß getünchte Ensemble ist einer von wenigen Profanbauten aus der Renaissance in Deutschland, die die letzten 500 Jahre glimpflich überstanden haben. Nur die zahlreichen Kamine auf den Dächern und der hölzerne äußere Umgang unter dem Dach für den publikumsscheuen Kurfürst August von Sachsen sind verschwunden. Wer Gelegenheit zu einer Führung hinter die Kulissen des musealen Betriebs hat, der kann in den unsanierten Teilen noch Wandmalereien aus ­dem ­­­ 1­6. ­Jahrhundert entdecken. In der Schlosskirche hat Lukas Cranach der Jüngere den Hausherren mit Frau und allen Kindern (auch den verstorbenen) auf einem riesigen Altarbild verewigt. Und im Brunnenhaus ist noch der hölzerne Seilzug intakt, mit dem zwei Ochsen bei Aufenthalten des Kurfürsten Tag und Nacht Wasser aus dem 130 Meter tiefen Brunnen hievten.

Kurfürst August allerdings würde sich wundern: Bekannt ist das Schloss heute vor allem bei Motorsportfans für seine exquisite Sammlung von 175 Motorrädern der regionalen Marken DKW, Auto Union und MZ. Schon 1961 war es Standort einer Firmenausstellung von MZ aus Zschopau geworden. Heute buchen sich viele Biker auf Durchreise einen Fototermin im Schlosshof und Kinder können im Museum einen „Motorradführerschein“ erwerben. Damit darf man dann zwar nicht auf die Straße, aber ein ganzes Jahr kostenlos ins Museum.

Das Barockschloss Lichtenwalde in Mittelsachsen liegt hoch über der Zschopau.

Das Barockschloss Lichtenwalde in Mittelsachsen liegt hoch über der Zschopau.

Foto: Martin Wein

Zurück bis ins Mittelalter führt ein Besuch der Höhenburg Scharfenstein oberhalb von Drebach. Ihr Bergfried entstand gleich, als die Gegend um 1250 besiedelt wurde. Von oben reicht der Blick nach einem kurzen Aufstieg vom Bahnhof aus noch heute weit über das ganze an dieser Stelle noch enge Zschopautal. Von der Burg selbst hat außer ihrem Turm nur der Witwenflügel einen Großbrand 1921 überstanden. Später ließ das DDR-Regime hier als schwer erziehbar geltende Jungen an der Werkbank ausbilden und politisch schulen. Seit der Wende und einer Komplettsanierung zeigt das Burgmuseum in den rekonstruierten Räumen eine große Sammlung von Weihnachtspyramiden, Nussknackern und Holzspielzeug aus dem umgebenden Erzgebirge. Nachdem das Erz im Gebirge nicht mehr lukrativ zu fördern war, hatten die Bergleute sich schon im 19. Jahrhundert nach anderen Einkommensquellen umgesehen. Lichterengel, Krippen, Puppenstuben und ganze Bauernhöfe aus Holz boten eine Alternative und stehen heute noch im Advent in vielen bundesdeutschen Wohnzimmern.

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