Zwischen Mann und Frau Transgender: Wenn Körper und Gefühl nicht zusammenpassen

In den vergangenen Jahren hat sich viel bezüglich der Akzeptanz von Transgendern getan. Was genau bedeutet der Begriff? Und welche Unterstützung zum Outing wird geboten? Alles rund um das Thema Transgender.

Transgender: 10 Infos zu Definition, Outing, Operation
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10 wichtige Infos zum Thema Transgender

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Foto: picture alliance / Bildagentur-o/dpa

Das Thema Transgender begegnet uns immer häufiger. Transgender-Charaktere tauchen immer öfter in Filmen und Fernsehserien auf. Und auch außerhalb von Film und Fernsehen hört man oft über Transgender-Personen, die sich Gehör für ihre Sache verschaffen wollen.

Das Thema ist alles andere als neu. Den Begriff Transsexualität gibt es bereits seit 1949, in Deutschland wurde bereits 1980 das Transsexuellen-Gesetz eingeführt, das es Menschen ermöglichte, nach einer Geschlechts-Operation auch das Geschlecht auf ihrem Ausweis ändern zu lassen. Mittlerweile ist eine Operation nicht mehr dafür nötig, und seit 2017 gibt es die Option, ein drittes Geschlecht eintragen zu lassen.

Auch wenn sich hier in den vergangenen Jahren viel getan hat, bemängeln Vereine und Verbände, dass Transgender immer noch ein Randthema ist und viele Menschen noch nicht dafür sensibilisiert wurden. Tatsächlich weiß auch heute nicht jeder, was es mit Transgender auf sich hat. Wir beantworten hier die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was heißt Transgender?

Transgender bezeichnet eine Person, die sich nicht mit dem nach der Geburt aufgrund von physischen Merkmalen zugewiesenem Geschlecht identifiziert oder eine binäre Zuordnung ablehnt. Übersetzt: Transgender, die als Frauen geboren sind, fühlen sich nicht als Frauen. Transgender, die als Männer geboren sind, fühlen sich nicht als Männer. Das bedeutet aber nicht, dass sich als Frauen geborene Transgender-Personen als Männer fühlen und umgekehrt. Das ist möglich, aber genauso ist es möglich, dass sie sich keinem der beiden Geschlechter, weder männlich noch weiblich, zugehörig fühlen. Kurz gefasst lässt sich sagen: Sie leben im falschen Körper.

Früher wurde anstelle von Transgender oft von Transsexuellen gesprochen. Das lehnen jedoch viele Transgender ab, denn der Begriff Transsexualität ist in ihren Augen durch die pathologisierende Verwendung in der Vergangenheit negativ geprägt. Außerdem stört sie, dass die Begriffe transsexuell oder Transsexualität direkt auf die sexuelle Orientierung anzuspielen scheinen. Auch die körperliche Komponente wird ihrer Meinung nach zu stark betont. Denn die hat mit der Definition von Transgender nichts zu tun, es geht nicht um die sexuelle Orientierung sondern um die gesellschaftliche Geschlechtsidentität.

Das soll auch der Begriff zeigen, der aus dem lateinischen Wort Trans und dem Englischen Wort Gender zusammengesetzt ist. Trans bedeutet "darüber hinaus" und gender beschreibt das gesellschaftliche Geschlecht. Den Begriff hat der amerikanische Psychiater John F. Owen bereits 1965 verwendet.

Transgender ist übrigens das Gegenteil von Cisgender. Cis ist Latein für diesseits und beschreibt die Menschen, die mit dem von der Geburt an zugewiesenen Geschlecht übereinstimmen. Also Frauen, die sich als Frauen fühlen und Männer, die sich als Männer fühlen.

Wie sollte man Transgender ansprechen?

Transgender richtig anzusprechen, ist gar nicht so einfach – denn natürlich kann man eine Person, die Transgender ist, mit der falschen Ansprache auch kränken. Mika Schäfer, Landeskoordination Trans*NRW, rät: "Im Sprechen mit und über Personen sollte ihr Geschlecht immer respektiert werden." Das klingt logisch und einleuchtend. Wer sich als Mann identifiziert, sollte als Mann angesprochen werden, wer sich als Frau fühlt, sollte als Frau angesprochen werden.

Ganz so einfach ist es dann aber manchmal doch nicht. Denn es gibt auch Transgender, deren Geschlechtsidentität weder weiblich noch männlich ist. Und manchmal ist man sich auch gar nicht sicher, als was sich die betreffende Person tatsächlich identifiziert. Und dann? "Im Zweifel ist es besser nachzufragen, als irgendetwas anzunehmen", sagt Schäfer. Freundlich zu fragen, sei in jedem Fall besser, als einfach von einer Geschlechtsidentität auszugehen und am Ende komplett falsch zu liegen und die Person zu beleidigen. "Wir wollen, dass das Grundverständnis für uns da ist und dass wir als Menschen gesehen werden", erklärt Schäfer. Eine Frage zeige auch, dass der Fragende aufgeschlossen mit dem Thema umgehe und nicht selbstverständlich irgendetwas annehme.

Dabei macht der Ton die Musik. Wer plump fragt: "Was bist du denn jetzt eigentlich? Mann oder Frau?" wird damit vermutlich nicht auf Gegenliebe stoßen. Es ist ein bisschen Fingerspitzengefühl gefragt. "Aber wenn man freundlich fragt, wie die Person angesprochen werden will, funktioniert das in der Regel", sagt Schäfer und fügt hinzu: „Um nicht zu diskriminieren ist es wichtig, nicht nur Personen dies zu fragen, von denen man annimmt, sie wären trans – denn das Geschlecht von Menschen lässt sich nicht verlässlich vom Aussehen oder ähnlichem ablesen.“

Wie sollte man Transgender in E-Mails ansprechen?

Mika Schäfer hat ein paar konkrete Tipps bei der Anrede per E-Mail:

  • Anstelle von "Sehr geehrter Herr xy" oder "Sehr geehrte Frau xy" empfiehlt Schäfer ein "Guten Tag" gefolgt von Vorname und Nachname. Auch ein "Hallo" sei im Zweifel besser als die falsche Anrede.
  • Um Unklarheiten in der Zukunft zu vermeiden, kann man auch in der E-Mail nachfragen, wie die Person angesprochen werden will. In Mika Schäfers Signatur steht zum Beispiel: „Ich freue mich, wenn Sie mir mitteilen, wie ich Sie ansprechen darf. Da beispielsweise vom Namen oder vom Aussehen einer Person nicht auf das Geschlecht geschlossen werden kann, verwende ich in der Ansprache zunächst keine Geschlechtszuschreibungen wie beispielsweise „Frau“, „Herr“, „Professorin“, „Professor“. Für mich bitte ich von der Verwendung binärgeschlechtlicher Ansprachen und Pronomen abzusehen und mich statt dessen beispielsweise mit „Liebe*r Mika (Schäfer)“, „Sehr geehrte*r Mika Schäfer“, „Hallo, Mika (Schäfer)“ o.ä. anzusprechen. Herzlichen Dank!“

Im Fall von Mika Schäfer selbst findet sich die Erklärung, wie die richtige Ansprache ist, übrigens auch auf der Website des Netzwerks Geschlechtliche Vielfalt Trans*NRW. Schäfers Pronomen ist er*sie. "Das ist irgendwie schon eine Notlösung", gibt er*sie zu. "Ich möchte weder als Mann noch als Frau angesprochen werden", erklärt er*sie dazu.

Wie viele Transgender gibt es in Deutschland?

"Zahlen gibt es leider nicht", sagt Mika Schäfer, Landeskoordination des Netzwerks Geschlechtliche Vielfalt Trans*NRW. Denn nirgendwo wird festgehalten, wie viele Transgender es gibt. Die Frage, die Schäfer gerne zum Standard machen würde – "Mit welchem Pronomen wollen Sie angesprochen werden?" – wird immer noch selten gestellt. Niemand hält fest, wie viele Menschen in Deutschland sich als Mann, Frau oder weder Mann noch Frau identifizieren.

Die Selbsthilfeorganisation Trans-Ident stellt zumindest die Zahlen an Verfahren nach dem Transsexuellengesetz zur Verfügung. Demnach liegt die Zahl bei 0,01 Prozent der Bevölkerung. Die Tendenz ist allerdings wachsend, denn die Zahl der Verfahren steigt. 1991 waren es nur 265, seit den 2010ern liegt die jährliche Zahl der Verfahren bei mehr als 1000. Es kann also davon ausgegangen werden, dass weitaus mehr als 0,01 Prozent der Menschen in Deutschland Transgender sind, denn nicht alle werden ein Verfahren anstreben. Eine Studie der kalifornischen Universität UCLA kommt zu dem Schluss, dass in den USA 0,6 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sich als Transgender identifizieren.

Der Psychotherapeut Dr. Hagen Löwenberg begleitet und berät Trans-Personen seit vielen Jahren. Er rät dazu, Zahlen, die bei diesen Studien entstehen, kritisch zu sehen. "Die Aussagekraft dürfte begrenzt sein", sagt er. Nicht jede Trans-Person strebt eine Vornamensänderung an, nicht jede lässt sich operieren und nicht jeder Trans-Mensch lebt seine Transidentität offen aus.

Woran merkt man, dass man Transgender ist?

"Das ist schwer mit Worten zu fassen, es hat viel mit Fühlen zu tun", sagt Mika Schäfer, Landeskoordination Trans*NRW. Er*sie beschreibt es als ein Unwohlsein, das irgendwann aufkommt und immer stärker werden kann, weil die betroffene Person sich in ihrer zugeschriebenen Geschlechtsidentität nicht wohl fühlt.

"Bei weiblich zugeordneten Personen kann es zum Beispiel sein, dass die Ansprache mit dem weiblichen Vornamen schmerzhaft ist", erklärt Schäfer. Schäfer engagiert sich seit vielen Jahren im transpolitischen Bereich in Köln und wurde, als das Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans*NRW 2016 gegründet wurde, in den Vorstand gewählt. Seit eineinhalb Jahren leitet er*sie die Landeskoordination. Aus der Erfahrung, gerade auch im Bereich der Beratung, weiß Schäfer, dass der Leidensdruck bei Transfrauen und Transmännern, ebenso wie bei jenen mit nicht-binärer Identität, mit der Zeit immer stärker wird. "Nicht im eigenen Geschlecht richtig gesehen oder akzeptiert zu werden, ist schwer zu ertragen. Das kann zu schweren Depressionen führen. Ein Coming-Out kann eine Befreiung darstellen, auch wenn Trans-Menschen leider noch immer vielen Diskriminierungen ausgesetzt sind", sagt Schäfer.

"Trans ist nicht hinterfragbar", sagt Psychotherapeut Dr. Hagen Löwenberg. Er könne nicht sagen, ob jemand Trans sei, das könne nur die Person selbst wissen. "Es ist eine subjektiv geschlechtliche Identität", erklärt er. Seine Aufgabe beim Gutachten: zu beobachten, ob diese subjektive Identität konstant bleibt oder alle 14 Tage wechselt. In der Regel, berichtet er, bleibe sie konstant.

Erste Anzeichen im Kindesalter

Erste Anzeichen für Transidentität würden die meisten bereits im Kindesalter bemerken. "Wenn sich jemand so gar nicht mit seiner Geschlechterrolle identifizieren kann, zum Beispiel, wenn ein Mädchen sich nur für Fußball interessiert und keine Mädchenkleidung mag", sagt er. Das ist allerdings noch kein sicheres Zeichen für Transidentität: Es gibt genug Cisgender-Menschen, also Menschen, die sich mit dem von Geburt an zugewiesenen Geschlecht identifizieren, die nicht mit allen ihrem Geschlecht zugeschriebenen Attributen übereinstimmen.

Bei Transgendern nimmt das Gefühl, dass das zugeschriebene Geschlecht nicht auf sie passt, in der Pubertät zu. "Es ist für sie furchtbar, wenn sie eine tiefe Stimme und Bartwuchs bekommen oder ihnen Brüste wachsen", beschreibt es Löwenberg. Dass das eigene Gefühl und das äußere Erscheinungsbild nicht zusammenpassen, wird immer deutlicher und für viele zu einem Problem, unter dem sie stark leiden. "Trotzdem wissen viele nicht, dass sie Trans sind", sagt Löwenberg. Oft dauere es Jahre, bis sie über den Begriff Transidentität stolpern und merken: Das ist ja wie bei mir. "Wir sprechen da über das innere Coming-Out. Das ist ein wichtiger Punkt, denn danach wird die Situation häufig handhabbarer. Man kann nach Hilfsmöglichkeiten suchen", erklärt der Psychotherapeut.

Wie outet man sich als Transgender?

Als schmerzhaft aber auch befreiend beschreibt Mika Schäfer die Erfahrung, die viele Trans-Personen beim Coming-Out machen. Dabei gibt es nicht den einen richtigen Weg, um sich als Transgender zu outen. So unterschiedlich die Situation sein kann, in der sich die Transgender-Person befindet, so unterschiedlich sind auch die Umstände des Coming-Out. Eine pauschale Antwort darauf, wie man sich als Transgender outet, kann es also nicht geben. Dafür gibt es ein paar Anregungen, die helfen können, das Coming-Out zu meistern.

Mika Schäfer, Landeskoordination Trans*NRW, empfiehlt, sich zuallererst eine Begleitung zu suchen, jemanden, dem man sich zuerst anvertraut und der einem beisteht. "Das können Eltern, Freude oder Freundinnen, Gleichstellungsbeauftragte oder Kollegen oder Kolleginnen sein", sagt er*sie.

Schäfers Erfahrung nach, ist ein erster wichtiger Schritt getan, nachdem man sich der ersten Person anvertraut hat. Denn meistens machen Transgender-Personen bereits dann die Erfahrung, dass das Coming-Out nicht so schmerzhaft ist, wie befürchtet. "Meistens reagiert das Gegenüber besser als gedacht. Und das ermutigt und gibt Rückhalt", macht Schäfer Mut. Wer niemanden kennt, dem er sich anvertrauen könnte oder unsicher ist, an wen er sich wenden kann, kann auch zunächst in einer Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppe um Rat und Hilfe bitten.

Wo bekommt man als Transgender Hilfe?

Es gibt sie, und davon nicht einmal wenige: Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, in denen sich Transgender Hilfe suchen können. Das Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans*NRW bietet einen Überblick über verschiedene Anlaufstellen in Nordrhein-Westfalen, an die sich Trans-Menschen wenden können. ngtv.nrw

Einen deutschlandweiten Überblick zu Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen bietet die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dtgi) auf ihrer Website: https://www.dgti.org/

Schließlich gibt es auch Therapeuten, die Transgender beraten und sie beim Coming-Out und weiteren Schritten unterstützen.

Welche Hormone nehmen Transgender?

Nicht jede Transgender-Person nimmt Hormone. Da es Transgender-Personen vorrangig um ihre soziale und gesellschaftliche Identität geht, müssen sie sich nicht zwangsläufig einer Hormontherapie unterziehen. "Der Begriff Transgender ist sehr weit gefasst. Und nicht alle wollen Hormone nehmen. Wir müssen uns, wenn wir über Transgender reden, weg von festgelegten Schemata bewegen", sagt Psychotherapeut Dr. Hagen Löwenberg. Trotzdem gibt es viele Trans-Personen, die nicht auf Dauer im für sie als falsch empfundenen Geschlecht leben wollen und sich deshalb einer Hormontherapie unterziehen. "Sie empfinden in ihrem biologischen Geschlecht einen ausgeprägten Leidensdruck. Und dieses Leiden kann durch die Hormontherapie enorm gelindert werden. Das weiß ich aus meinen Beobachtungen, das zeigen aber auch Untersuchungen", erklärt der Therapeut.

Wenn Transgender Hormone nehmen, sind das die Sexualhormone: das weibliche Hormon Östrogen oder das männliche Hormon Testosteron. Östrogen kann dafür sorgen, dass Brüste wachsen und der Bartwuchs verschwindet. Testosteron wiederum kann zu Bartwuchs führen und die Brust kleiner werden lassen.

Wer zahlt die Operation für Transgender?

Einige Operationen für Transgender werden von der Krankenkasse bezahlt, andere wiederum nicht.

Zunächst einmal muss jedoch festgehalten werden: Nicht alle Transgender lassen sich operieren. Und die, die sich operieren lassen, tun dies in unterschiedlichem Umfang. Denn für Transgender stehen ganz unterschiedliche Operationen zur Verfügung. Und wer was und wie viel machen lässt, ist jedem selbst überlassen.

Bei Transmännern ist häufig die Oberweite ein Anlass, sich unters Messer zu legen. "Viele entscheiden sich für eine Brust-Operation, da die Brust sozial am auffälligsten ist", sagt Psychotherapeut Dr. Hagen Löwenberg. Wer männlich auftreten will, hat es mit einer großen Brust schwer. Hier kommt eine Brustentfernung in Frage, die auch von der Krankenkasse gezahlt wird. Gleiches gilt für die Entfernung der Gebärmutter und der Eierstöcke und die Konstruktion eines Hilfsgenitals, erklärt der Therapeut. "Allerdings ist das meist mit großen Komplikationen verbunden, sodass sich viele überlegen, ob das tatsächlich nötig ist, und dann doch Abstand nehmen", berichtet Löwenberg.

Auch bei Transfrauen kann eine Brust-OP infragekommen, wenn sich trotz der Einnahme von Östrogen wenig oder gar nichts tut. Außerdem kommen bei Transfrauen Stimmbandoperationen infrage, ebenso wie eine Genitalangleichung. Auch hier kann wieder bei der Krankenkasse angefragt werden, die vieles übernimmt. Aber eben nicht alles.

Einige Transfrauen wünschen sich eine Gesichtsfeminisierung, die ihr Gesicht weiblicher aussehen lässt. Dafür müssen sie allerdings selbst tief in die Tasche greifen, denn das übernimmt die Krankenkasse nicht. Der Psychotherapeut Dr. Hagen Löwenberg spricht hier von purer Willkür. "Schließlich ist das Gesicht das, was man als erstes ansieht, wenn es darum geht, das Geschlecht zuzuordnen", sagt er.

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