Nach dem Winter kommt die Frühjahrsmüdigkeit Fast jeder Dritte leidet unter Symptomen

Frankfurt/Main (rpo). Endlich werden die Tage länger, die Sonne scheint wieder öfter und dennoch fühlen sich viele wie ausgelaugt. 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung sind von der so genannten Frühjahrsmüdigkeit betroffen, schätzt die Frankfurter Medizinerin Christiane Kunz.

Hinter den Beschwerdne stecken weder Viren noch Bakterien: "Die Frühjahrsmüdigkeit ist keine Krankheit", betont Kunz. "Aber das Phänomen gibt es, da redet sich niemand etwas ein."

Die Umstellungsphase am Ende des Winters führt zu einer Veränderung der Immunfunktion und des Hormonhaushalts im Körper, und das bringt die "innere Uhr" bei vielen Menschen durcheinander. Am ehesten lasse sich Frühjahrsmüdigkeit mit dem Jet-Lag-Gefühl nach Fernreisen vergleichen, sagt die Medizinerin. Klima, Temperatur und Lichtverhältnisse änderten sich mit Frühlingsbeginn relativ plötzlich. Der Körper sei dagegen monatelang auf Winter mit kalten und kurzen Tagen eingestellt gewesen. Daher könne er sich nur langsam an diese zwar positiven, aber trotzdem massiven Veränderungen anpassen.

Dass mehr Frauen über Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit klagen, liegt nach Angaben von Kunz daran, dass Menschen die Signale ihres Körpers unterschiedlich wahrnehmen und auf sie reagieren. Männer ignorierten schlicht häufiger Erschöpfungszustände als Frauen. Betroffen seien sie von der Umstellungsphase aber gleichermaßen.

Dass der Körper Zeit braucht, um sich nach der kalten Jahreszeit an den Frühling anzupassen, hat mehrere Ursachen: Zum einen sind viele Menschen von Erkältungen und postgrippalen Infekten in den Wintermonaten noch regelrecht geschlaucht. Noch einige Zeit nach einer Virusinfektion ist der Körper geschwächt und anfällig und verlangt nach Ruhe. Dazu kommt, was sich vermutlich jeder mit schlechtem Gewissen eingesteht: Im Winter bewegt man sich weniger und verbringt einen großen Teil des Tages in der Wohnung, das Essen ist fetter und schwerer als im Sommer. Der Kreislauf köchelt also auf Sparflamme, statt voller Schwung in den Tag zu starten.

Die Hauptverantwortlichen für das schlappe Gefühl in den ersten Frühlingswochen sind aber vor allem fehlendes Licht und das Hormon Melatonin, wie die Mainzer Biologin Friederike Hammer erklärt. Melatonin ist im Körper für die Regelung des Tag-Nacht-Rhythmus" und erholsamen Schlaf zuständig. Es wird auch als Medikament eingesetzt. So lasse sich beispielsweise ein Jet-Lag nach langen Flügen besser verkraften, sagt Hammer. In zu großen Mengen sorge das Hormon jedoch auch tagsüber für Müdigkeit und könne sogar depressive Verstimmungen hervorrufen.

An den kurzen Wintertagen mit nur wenigen Stunden Sonnenlicht habe der Körper vermehrt Melatonin gebildet, daher sei am Ende des Winters beziehungsweise eben zu Beginn des Frühjahrs die Melatonin-Konzentration im Blut relativ hoch. Bis der häufiger werdende Sonnenschein die Produktion des Hormons wieder normalisiert habe, sei der Körper daher zwangsläufig eher auf Mattigkeit und Trübsinn eingestellt, erklärt die Biologin.

Frühjahrsmüdigkeit sei also zwar lästig, aber eine ganz normale Phase für den Körper, betont Kunz. Sie empfiehlt, sich in den Frühlingsmonaten nicht in Hektik zu stürzen, sondern sich die Ruhe zu gönnen, die der Körper während dieser Umstellungsphase notwendigerweise brauche. Um Kreislauf und Laune trotzdem schnell wieder auf Trab zu bringen, raten die Wissenschaftlerinnen zu viel Bewegung und gesunder Ernährung.

Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe waren bei der einseitigen Ernährung im Winter Mangelware und machen jetzt den frühjahrsmüden Körper fit. "Und vor allem heißt es: Raus ans Licht", sagt Hammer. Sport und jede Art von Aktivität an frischer Luft und Tageslicht bringen nicht nur den Kreislauf in Schwung. Das Sonnenlicht reduziert auch den Müdemacher Melatonin im Blut, so dass sich Frühjahrsmüdigkeit bald in Frühlingsgefühle verwandeln kann.

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