Maiglöckchenduft macht Spermien wild Studie: Verdopplung der Geschwindigkeit

Bochum (rpo). Spermien fahren auf Maiglöckchenduft ab. Damit lassen sie sich nicht nur in eine bestimmte Richtung locken, nein, sie werfen sogar ihren Turbo an und rasen mit doppelter Geschwindigkeit ihrem Ziel entgegen. Das haben Biologen der Universitäten Bochum und Los Angeles herausgefunden.

"Der Lockstoff weist nicht nur die Richtung, er sorgt auch für eine Verdoppelung der Geschwindigkeit der Samenzelle", sagt der Zellphysiologe Prof. Hanns Hatt von der Universität Bochum. Die Forscher gehen davon aus, dass auch die Eizelle oder Umgebungsgewebe eine ähnliche Substanz aussenden, um Spermien den Weg zu weisen. Mit den neuen Erkenntnissen lässt sich möglicherweise auch eine neue Verhütungsmethode entwickeln.

Die Forscherteams aus Bochum und Los Angeles entdeckten in den Spermien so genannte Rezeptoren, die auf das Aldehyd Bourgeonal reagieren, das ähnlich wie Maiglöckchen riecht. Es wird in der Waschmittelindustrie als Duftstoff eingesetzt. Als Gegenspieler des Maiglöckchenduftes fanden die Biologen die Substanz Undecanal, die die Rezeptoren blockiert. "Damit ist die Samenzelle blind und kann sich nicht orientieren", sagt Hatt. Die Forscher präsentieren ihre Arbeit im US-Fachjournal "Science" (Bd. 299, S. 2054) vom Freitag.

Die Erregung der Samenzelle ähnelt der einer Nervenzelle auf Hormone. Der Duftstoff setzt eine Kaskade von Reaktionen in Gang. Unter anderem strömt Kalzium in das Innere des Spermiums, wodurch der Schwanzschlag des Samens beeinflusst wird.

Wichtig können die Erkenntnisse über die Rezeptoren, den Lockstoff und seinen Blocker möglicherweise für Verhütungsmethoden und künstliche Befruchtungsmöglichkeiten werden. "Mit den Blockern würde man den Spermien bildlich gesehen die Nase zuhalten", erklärt Hatt. Um neue Verhütungsmethoden zu konzipieren, seien aber weitere Studien notwendig.

Die Forscher wollen zunächst einmal prüfen, ob strukturähnliche Duftstoffe wie Bourgeonal auch von der Eizelle produziert werden, und ob Blocker überhaupt in der Follikelflüssigkeit vorkommen. Im Follikel reift die Eizelle heran. Bislang sei nur die Wirkung der Follikelflüssigkeit auf den Rezeptor nachgewiesen. Ein Molekül von der Art des Maiglöckchenduftes müsste dabei zu finden sein, sagte Hatt. Außerdem sei noch offen, was die anderen rund 15 Rezeptoren in den Spermien für eine Rolle spielen.

Mit der Wirkung von Duftstoffen bei Spermien hatten sich kürzlich auch andere Forschungsteams beschäftigt. So hatten Jülicher Forscher bei Seeigel-Spermien die Auswirkungen von "Lockstoffen" analysiert. Demnach genügt ein einziges Molekül, um eine Signakette in Gang zu setzen, die schließlich zu Wendemanövern führt.

Profitieren von den Erkenntnissen über die Rezeptoren in der Samenzelle soll sogar die Duftstoffindustrie. In der Nase gibt es 347 verschiedene Duftrezeptoren. "Ähnlich wie in den Spermien könnten auch hier einzelne Rezeptoren durch passende Gegenspieler-Düfte blockiert werden", meint Hatt. "Üble Begleitgerüche könnten durch passende Beimischung von Blockern selektiv ausgeblendet werden."

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