Mediziner: Keine Lust auf Sex kann krankhaft sein Fachblatt hatte Zweifel angemeldet
Freiburg (rpo). Nach Ansicht deutscher Mediziner können Frauen durchaus an einer sexuellen Funktionsstörung leiden. Ein Fachblatt hatte behauptet, die Krankheit sei reine Erfindung der Pharmaindustrie, um Potenzmittel für Männer besser vermarkten zu können.
Das Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit in Freiburg widersprach damit entschieden einem entsprechenden Bericht des renommierten "British Medical Journal". Das Fachblatt hatte Anfang des Jahres erklärt, die so genannte Female Sexual Dysfunction (FSD) sei erfunden worden, um den Erfolg von Potenzmitteln für Männer zu wiederholen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hatte größte Zweifel an einer US-Studie angemeldet, derzufolge 43 Prozent der Frauen an einer solchen Störung leiden.
Das Informationszentrum kritisierte die Berichte als "wenig sensiblen Umgang mit der Sexualität von Frauen". Dabei habe selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO solche Funktionsstörungen als Krankheit anerkannt. Das Thema sei aber lange Zeit vernachlässigt worden, so dass es kaum verlässliche Zahlen über die Häufigkeit solcher Beschwerden gebe. Es sei aber davon auszugehen, dass FSD ein noch komplexeres Problem darstelle als etwa die Erektionsstörung des Mannes. Zu den häufigsten Sexualproblemen bei Frauen zählen nach Angaben der Experten mangelndes Lustempfinden, Orgasmusstörungen sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.
"Körperliche Ursachen sind bei beiden Geschlechtern zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes, und ebenso wie beim Mann ist die weibliche Sexualität nicht nur von der Libido abhängig, sondern scheitert häufig auch an der genitalen Erregbarkeit", sagte der Gynäkologie-Professor Hans-Peter Zahradnik. Frauen reagierten zudem wesentlich stärker auf äußere Einflüsse wie Schwierigkeiten in der Partnerschaft, beruflichen oder privaten Stress sowie soziale Probleme. Nach Angaben der Bonner Psychiatrie-Professorin Anke Rohde sind viele der FSD-Patientinnen körperlich gesund und haben dennoch keine Lust auf Sex. Nur selten suchten sie einen Arzt oder Therapeuten auf, der ihnen helfen könne.
"Man muss natürlich auch deutlich machen, dass Lustlosigkeit genauso zum Leben gehört wie Lust - zu bestimmten Zeiten kein Verlangen zu haben, ist für beide Geschlechter völlig normal", betonte Rohde. Mehr noch als beim Mann seien bei der Frau seelische und körperliche Ursache miteinander verzahnt, so dass die Diagnose oft schwierig sei. Grundsätzlich lasse sich jedoch feststellen, dass jede Funktion gestört sein könne - auch die Sexualfunktion.