Alkohol im Job Wenn der Kollege trinkt

Hamm/Hannover (RPO). Ob Schnapsfahne in der Kantine oder leichtes Lallen im Meeting: Wenn jemand regelmäßig zu tief ins Glas schaut, bleibt das auch den Kollegen nicht verborgen. Doch was sollte man tun? Wichtig ist, nicht wegzuschauen.

Alkohol im Job - was (noch) erlaubt ist
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Alkohol im Job - was (noch) erlaubt ist

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Foto: ddp

Oftmals meinen es die Kollegen nur gut, wenn sie über das Alkoholproblem eines Mitarbeiters Bescheid wissen, aber lieber nichts sagen. Aber das macht die Sache häufig nur noch schlimmer. Je früher jemand auf sein Alkoholproblem angesprochen werde, desto besser für ihn, sagt Christa Merfert-Diete von der Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm. Denn vom Alkohol loszukommen, ist in einem frühen Suchtstadium wesentlich einfacher.

Krankheit des Lügens

Hannelore weiß das nur zu gut. Die Lehrerin hat jahrelang an ihrem Arbeitsplatz getrunken. Seit mehr als 20 Jahren ist sie trocken und Mitglied der Anonymen Alkoholiker. "Wenn ich zurückblicke, ist es sehr schade, dass die Hilf- und Sprachlosigkeit bei den Kollegen so groß war", sagt sie. Die Alkoholsucht sei eine Krankheit des Lügens und Verleugnens - auch vor sich selbst. "Je früher dieser Kreislauf durchbrochen wird, desto besser."

Denn wer darauf angesprochen wird, dass er nach Alkohol riecht oder unkonzentriert wirkt, gerät unter Druck. "Und je größer der Druck, desto größer ist die Chance, dass jemand auch etwas unternimmt", erklärt Hannelore. Warum sie damals von ihren Kollegen jahrelang gedeckt wurde, weiß sie nicht so recht. "Angeblich hat's kein Mensch gemerkt." Sie hat die Sucht aus eigenem Antrieb und nach langen Kämpfen überwunden. Heute arbeitet sie wieder als Lehrerin.

Mitarbeitern die Augen öffnen

Ute Pegel-Rimpl versucht dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst so weit wie bei Hannelore kommt. Sie leitet ein Büro für betriebliche Suchtprävention und Suchthilfe in Hannover und versucht, Mitarbeitern die Augen zu öffnen für das Problem Alkohol am Arbeitsplatz. "Es geht dabei nicht nur um diejenigen, die schon in den Brunnen gefallen sind, sondern auch um die, die einen riskanten Alkoholkonsum haben."

Denn die Übergänge vom normalen Trinkverhalten zum Alkoholmissbrauch sind fließend. Eine Abhängigkeit entwickelt sich nicht von heute auf morgen, sondern oft im Laufe mehrerer Jahre. Ein Alarmsignal kann sein, wenn ein Kollegen sich bei Betriebsfesten immer wieder bis zum Rausch betrinkt. Aber auch das tägliche Feierabendbier ist auf Dauer nicht gesund. Wer zudem morgens oft verkatert zur Arbeit kommt, Stimmungsschwankungen zeigt oder nervös und reizbar ist, sollte darauf angesprochen werden.

Jeder fünfte bis zehnte Mitarbeiter ist betroffen

Ute Pegel-Rimpl schätzt, dass jeder fünfte bis zehnte Mitarbeiter in einem Unternehmen einen riskanten oder gar schädlichen Konsum mit Suchtmitteln aufweist. Es ist also nicht so unwahrscheinlich, dass man selbst einen solchen Mitarbeiter im Betrieb hat. "Das Problem ist: Je netter ein Kollege ist, umso kränker muss er oft werden, bis er endlich angesprochen wird", sagt Pegel-Rimpl.

Suchtexpertin Pegel-Rimpl rät, dem Kollegen offen zu sagen, dass einem das Gespräch schwerfällt und dass man das Thema nicht gerne anspricht. "Ich kann demjenigen auch sagen, dass ich es nicht ansprechen würde, wenn ich ihn nicht mögen würde." Ein guter Einstieg sei auch: "Ich möchte lieber mit Dir sprechen als über Dich."

Ein guter Gesprächszeitpunkt ist kurz vor dem Feierabend oder dem Wochenende. So hat der Kollege Zeit, in Ruhe über das Gehörte nachzudenken. Besonders gut ist es, wenn gleich mehrere Kollegen ihn ansprechen. "Wenn viele auf den Kollegen zukommen, dann muss er sich Gedanken machen", sagt Merfert-Diete.

(tmn/anw)
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