London Trauer um den Kopf der Bee Gees

London · Robin Gibb war der Songschreiber, Komponist und Leadsänger der legendären Bee Gees. Im Alter von 62 Jahren ist er jetzt in einer Londoner Klinik an den Folgen eines Leberkrebs-Leidens gestorben. Seine größten Erfolge: die Disco-Hits "Stayin' Alive" und "Night Fever".

Zerbrechlich wirkte er immer, ein Bewegungswunder war er nie. Und so versuchten die Besucher seiner letzten Konzerte, Gibbs beunruhigende Hagerkeit als optischen Ausdruck einer zu konsequent gelebten Askese zu werten. Wer sich den Strapazen einer Tournee aussetzt, kann nicht ernsthaft erkrankt sein, so folgerten die Fans. Ein halbes Jahr zuvor hatte Robin Gibb Auftritte wegen einer Darmoperation absagen müssen. Auf seinen letzten Konzerten hob er zwischen den Songs immer wieder den Daumen, dankte bescheiden für den Applaus. Dass es den Star trotz seiner Krebserkrankung auf die Bühne trieb, hat auch mit einer Unbeugsamkeit zu tun, die nicht zu seinem Habitus der Unscheinbarkeit passen mochte.

Robin Gibb meinte immer, genau zu wissen, was er durchzuziehen und was er abzulehnen hatte. Mit 25 – die Bee Gees waren unter anderem mit "Massachusetts" erfolgreich – verließ er die Brüder Maurice und Barry im Streit. Ein von ihm gesungenes Stück sollte nur die Rückseite der Single füllen, deren A-Seite ein Barry-Song zierte. Mit dem Solo-Werk "Saved By The Bell" gelang ihm ein weltweiter Hit – nach 15 Monaten aber war der Zoff verdaut, Robin kehrte zurück und sorgte in den 1970ern mit dafür, dass die Discowelle die Popkultur erfasste: Der Soundtrack der Bee Gees zum Film "Saturday Night Fever" bildet ein wesentliches Kapitel in der Musikgeschichte, auch wenn Hits wie "Stayin' Alive" und "Night Fever" genau so viel Tiefgang hatten wie die Handlung des Kinofilms. Darin schweift die Choreografie des jungen John Travolta so peinlich posend über die Tanzfläche, dass der Anblick heute schon wieder anrührt.

Innovatoren waren die Bee Gees nie, aber Motoren einer Disco-Bewegung. Das waren die Jahre, in denen Robins klares Vibrato den Konkurrenzkampf gegen Barrys nun ständig bemühtes Falsett verlor. Als die Disco-Masche zu Beginn der 80er nicht mehr zog und es stiller um das Trio wurde, machte Robin erneut allein auf sich aufmerksam. Die Single "Juliet" ist der erfolgreichste Titel, der abseits der versammelten Bruderschaft erschien.

Robin Gibb kam am 22. Dezember 1949 auf der britischen Isle of Man eine halbe Stunde früher als sein Zwillingsbruder Maurice zur Welt, Barry war damals drei Jahre alt. Schon als Kinder landeten die drei 1963 einen Hit mit "The Battle of the Blue and Grey".

Bis heute haben die Bee Gees über 200 Millionen Platten verkauft. Ihre Weichspül-Kompositionen stecken aber auch in Songs anderer Musikgrößen: Diana Ross, Kenny Rogers oder Dionne Warwick. Aus deren Hit "Heartbreaker" und in Barbra Streisands "Woman In Love" tönen leicht erkennbar die Gibb-Stimmen als Background-Chor. 1987 gelang ihnen mit "You Win Again" noch einmal ein großer Wurf.

Neben der beruflichen Karriere hatten die Gibbs harte private Schläge zu verkraften. Der jüngste Bruder Andy, kein Mitglied der Band, starb 1988 30-jährig an einem Herzinfarkt, Maurice überstand vor neun Jahren eine Darmerkrankung nicht. Bei seinem Zwillingsbruder wurde 2010 bei einer Darmoperation ein Tumor entdeckt. Seitdem unterzog er sich mehreren Operationen und Chemotherapien, ging trotz allem auf Tournee. "Manchmal frage ich mich, ob all die Tragödien, die meine Familie erleiden muss, eine Art Preis dafür ist, den wir für den ganzen Ruhm und das ganze Glück, das wir hatten, bezahlen müssen", so zitiert ihn die britische Zeitung "The Sun" im März.

Vor zwei Monaten verkündete Gibb, er befinde sich auf dem Weg der Besserung; dann kam der Rückfall, eine Lungenentzündung schwächte ihn. Er fiel an jenem April-Tag ins Koma, an dem sein mit Sohn Robin-John komponiertes Klassikstück "Titanic Requiem" in London uraufgeführt wurde. Der Trotz und sein Wille, den Kampf zu gewinnen, ließen Gibb nach einer Woche erwachen. Doch einen Monat später konnte der Mann, der zweimal verheiratet war und drei Kinder hinterlässt, endlich loslassen.

Nur drei Tage nach dem Tod von Disco-Queen Donna Summer wieder eine Stimme weniger aus einem Zeitalter des glitzernden Disco-Pop, das kein Epigone zurückholen kann.

(RP)
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