Pat Metheny spielte in der Tonhalle  Jazz-Titan im offenen Hallraum

Düsseldorf · Pat Metheny begeisterte bei seinem Düsseldorfer Konzert. Der Virtuose präsentierte Stücke aus den vergangenen 40 Jahren.

 Pat Metheny mit Bassistin Linda May Han Ohin der Tonhalle Düsseldorf.

Pat Metheny mit Bassistin Linda May Han Ohin der Tonhalle Düsseldorf.

Foto: Andreas Krebs

Wäre an diesem denkwürdigen Abend in der Tonhalle Düsseldorf ein Karikaturist anwesend gewesen, dann hätte er den Helden auf der Bühne als Mischwesen gezeichnet: als Gitarrenkörper mit silbergrauem Lockenschopf, Streifen-Shirt, riesigen weißen Turnschuhen und einem unglaublich breiten Grinsen. So sehr geht Pat Metheny in seinem Spiel auf, dass er mit seinen Instrumenten zu verschmelzen, in seinen Tönen zu vergehen scheint. Wie schön, dass er am Ende gar nicht gehen will.

Nach gut zwei Stunden müssen dem 63-Jährigen eigentlich die Hände schmerzen. Er hat sich durch sein Oeuvre der vergangenen 40 Jahre gespielt, hat dabei Strukturen miteinander verschmolzen, die unvereinbar schienen, hat ein unglaubliches Tempo vorgelegt und eine Fingerfertigkeit, die ihresgleichen sucht. Er hat in wechselnden Zusammensetzungen mit einer Band interagiert, die ausnahmslos aus exquisiten Musikern besteht.

Am Anfang gehört die Bühne jedoch Pat Metheny allein, dem 20-fachen Grammy-Preisträger, einem der besten Gitarristen und Jazzmusiker der Welt. Er nimmt sie ein mit einem Instrument, das aussieht wie mutiert: Die Pikasso-Gitarre, die die Kanadierin Linda Manzer 1984 eigens für den Amerikaner entwickelt hat, hat 42 Saiten, vier Hälse und zwei Schalllöcher im großen Korpus. Sie klingt wie eine akustische Gitarre, eine Mandoline, eine Zither, ein Bouzouki, eine Laute, eine Saz.

Metheny schreitet mit seinem Spiel darauf durch weite Hallräume, verwebt klassische Motive mit archaischen Klängen und 1980er-Jahre-Effekten. Er ist ein Wanderer zwischen den Welten und Zeiten, der virtuos mit Anklängen und Referenzen spielt, sie zum Tanzen bringt und sein Publikum auf den fast ausverkauften Rängen zum Träumen.

Doch es ist blitzschnell erwacht, wenn sein Begleit-Trio auf die Bühne tritt: Die Australierin Linda May Han Oh pflegt ein unfassbar angenehmes, melodiöses und sanft grundierendes Spiel am Kontrabass. Der walisische Pianist Gwilym Simcock bleibt meist im Hintergrund – aber in seltenen Soli, wenn er plötzlich aus dem manchmal schwierig undifferenzierten, etwas zu lauten Soundmix in den Vordergrund tritt, setzt er überraschende Energien frei.

Die größte Sensation in dieser Band sitzt allerdings am Schlagzeug: Der Mexikaner Antonio Sanchez hat mit überragender Technik und einem atemberaubend polyphonen und polyrhythmischen Schlagzeugstil im Alleingang den Soundtrack des Oscar-Films „Birdman“ angeschoben – und wurde nach der Nominierung für den Golden Globe weltberühmt. Man kann in der Tonhalle sehen, hören und spüren, wie Pat Metheny seine Nähe sucht, wie sich das Spiel der beiden Titanen gegenseitig befruchtet und auf neue Ebenen hebt. Sanchez operiert genau wie Metheny mit Brüchen und multidimensional. Der erste Höreindruck: Die Bass-Trommel ist ja ganz woanders als die Becken? Der zweite Eindruck: Wow!

Pat Metheny kleidet Klassiker von Meilensteinen wie „Bright Size Life“ oder „Secret Story“ aus den 1970er- und 80er-Jahren in neue Gewänder. Er spielt Fusion-Jazz, der weitgehend auf die oft scheußlichen Keyboard- und Gitarreneffekte der Zeit verzichtet, in der das Genre aufkam. Er spielt Hochgeschwindigkeits-Jazz, stellt mit einer unglaublichen Präzision Virtuosität und Fingertechnik aus. Sein Publikum reizt er damit zu eruptiven Jubelstürmen, wie man sie an diesem Ort selten gehört hat.

Die berührendsten Momente schenkt er jedoch, wenn er einen Gang runter schaltet und zum Beispiel kurz vor dem Zugabenblock Bassistin Linda May Han Oh zum Duett „Change of Heart“ bittet, zum Zwiegespräch zweier zartfühlender, liebender Wesen. Oder wenn er nach rasendem Applaus noch einmal allein auf die Bühne zurückkehrt und an der Halbakustischen ein ausgedehntes Medley spielt.

Darin geistert dann auch David Bowie herum – das berühmte Motiv des Hits „This Is Not America“ aus den 1980er Jahren begleitet die glücklichen Besucher später durch die laue Sommernacht.

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