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Einkaufszentrum in historischem Gewand Braunschweigs neues Mogelschloss

Braunschweig (RP). Mit einem Volksfest feierte die Stadt am Sonntag die Eröffnung ihres rekonstruierten Schlosses. Wer es durch das Hauptportal betritt, erlebt eine Überraschung: Wo einst die Welfen residierten, breitet sich ein riesiges Einkaufszentrum aus. Ein strittiger Fall von Umgang mit Geschichte.

 Nur äußerlich betrachtet hat Braunschweig wieder ein Schloss.

Nur äußerlich betrachtet hat Braunschweig wieder ein Schloss.

Foto: ECE

Sobald man den Anblick der spätklassizistischen Fassade gegen die Innensicht tauscht, glaubt man einer Fata Morgana aufgesessen zu sein: Ist denn dieses Schloss im Kern tatsächlich das Gegenteil dessen, was es zu sein vorgibt? Kein kultureller Ort, jedenfalls nicht in erster Linie, sondern ein Platz des Handels mit den üblichen Adressen Pohland, Saturn, Benetton, DM, Telekom.

 Riesige Rolltreppen warten nun im Inneren, wo früher die Welfen residierten.

Riesige Rolltreppen warten nun im Inneren, wo früher die Welfen residierten.

Foto: ECE

Da wird es manchen jucken, die Keule der Kulturkritik zu schwingen, sich auf Gebote des Denkmalschutzes zu berufen und Braunschweigs neues Schloss schlechtzureden. Doch der Fall ist komplizierter.

Erstens umfassen diese "Schloss Arkaden" nicht nur Läden und Gastronomie, sondern - durch separate Türen von außen zugänglich - auch Standesamt, Stadtbibliothek, Stadtarchiv, Kulturamt und ein neues Schlossmuseum. Zweitens verhilft das Gebäude der Stadt dort zu einer neuen architektonischen Mitte, wo sich bislang lediglich der historische Schlosspark ausbreitete. Einige hundert Meter vor der Vorderfront des Schlosses erhebt sich der Dom, einige hundert Meter dahinter verstaubt in einem düsteren, dringend sanierungsbedürftigen Gebäude eine der bedeutendsten Sammlungen alter Malerei in Deutschland: das Herzog-Anton-Ulrich-Museum.

Die Rekonstruktion der Schloss-Fassaden wirkt makellos. Mehr als 600 erhaltene Originalteile fanden Verwendung, und die übrigen Elemente stammen von Steinmetzen, die zuvor schon beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche mitgewirkt hatten.

Illusion ist nahezu vollkommen

Die rückwärtig links und rechts an die steinerne Schloss-Attrappe angewinkelten Fortsetzungen der Einkaufsgalerie in Gestalt grüner Milchglas-Bauten lässt zwei Materialien unschön aufeinanderprallen. Man muss dieser Erweiterung jedoch zugute halten, dass sie sich bei Betrachtung aus der Ferne dezent zurückhält. Ob man frontal vor dem Schloss steht oder ein wenig seitlich: Die grünen Anhängsel im Hintergrund bleiben unsichtbar. Die Illusion vom wiedererstandenen Welfen-Schloss ist nahezu vollkommen.

Im Zweiten Weltkrieg war das Schloss beschädigt worden, 1960 hatte man es abgerissen, zuvor allerdings Einzelteile geborgen. Vor drei Jahren entschied sich dann der Braunschweiger Stadtrat mit knapper Mehrheit und gegen Protest aus der Bevölkerung für die Errichtung eines Einkaufszentrums hinter einer Rekonstruktion der Schlossfassade. Das Projekt wurde dem Großinvestor ECE übertragen. Der schuf in der Stadtmitte für rund 200 Millionen Euro Platz für 150 Geschäfte und ein darüberliegendes Parkhaus.

Architektonisch ist dieser Mogelbau für die Stadt ein Armutszeugnis, denn er beweist durch seine Existenz, dass es nicht für mehr gereicht hat: nicht für eine Rekonstruktion, die sich an den historischen Innenräumen orientiert, statt in riesigen Atrien Rolltreppen Platz zu bieten, und nicht für eine Kopie zu nichtkommerziellen Zwecken. Ein Armutszeugnis, ja; doch Armut schändet nicht. Die Markierung historischer Bausubstanz bekommt dem Stadtbild immer noch besser als ein Park ausgerechnet dort, wo einmal die architektonische Mitte lag. Schließlich kann eine Stadt wie Braunschweig nicht die Unterstützung des Bundes erhoffen, die irgendwann zur Rekonstruktion des Stadtschlosses in Berlin führen wird.

Den Kritikern jedweder Wiederherstellung von Bausubstanz sei ins Stammbuch geschrieben: Die meisten der Gebäude, die wir heute für historisch halten, sind irgendwann einmal zerstört - und dann wieder aufgebaut worden.

Und was eine neue, von der ursprünglichen Bestimmung abweichende Nutzung anlangt, so muss man feststellen: Hundertprozentiger Denkmalschutz ist schon deshalb unmöglich, weil es unbezahlbar wäre, Gebäude lediglich um ihrer selbst willen zu erhalten und sie nicht einer zeitgemäßen Nutzung zuzuführen.

Nur: Ein wenig mehr Schloss-Anmutung auch im Inneren des Braunschweiger Konsumbaus - dazu hätte der Etat schon reichen sollen.

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