Bau steht nur noch wenig im Wege Wieder ein Stadtschloss für Berlin
Berlin/Düsseldorf (RP). Der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven regte vor sieben Jahren an, auf dem Gelände des einstigen Berliner Stadtschlosses vorerst einen Park anzulegen und es künftigen Generationen zu überlassen, das Grundstück neu zu bebauen. Schließlich - so argumentierte er - ist nach dem Fall der Mauer in Berlin so viel neue Architektur erstanden, dass man erst einmal eine Pause einlegen sollte.
Das Land Berlin und der Bund haben diesen Ratschlag nicht befolgt. Kürzlich gaben Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister, und Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee bekannt, dass das Schloss nun doch rekonstruiert werden soll. An seinem ehemaligen Standort mitten in Berlin fällt zurzeit der Palast der Republik den Abrissbaggern zum Opfer. Einem neuen Schloss steht also bald nichts mehr im Wege.
Für die Finanzierung gilt das nur eingeschränkt. Experten bestreiten, dass die veranschlagten 480 Millionen Euro ausreichen werden. Mit 32 Millionen will sich das Land Berlin am Bau beteiligen. Und der Bund verlässt sich auf die Zusage des Fördervereins Berliner Schloss, der 80 Millionen an Spenden aufbringen will. Davon sind allerdings erst sechs Millionen beisammen; weitere 7,5 Millionen sind "fest zugesagt". Wilhelm von Boddien, der Chef des Vereins, zeigt dennoch Zuversicht.
Nicht viel Gemeinsamkeiten
Schon jetzt steht fest, dass das neue Schloss mit dem alten nicht viel gemein haben wird. Die engen Räume von einst ließen sich heute nicht sinnvoll nutzen. Nur das äußere Erscheinungsbild - bis hin zur Kuppel - kann dem einstigen nahe kommen, wenn auch bei der Gestaltung der Schlossfassade die meisten Elemente nachgeahmt werden müssen, denn nur wenige sind erhalten.
Einst bildete das Schloss mit den umgebenden Bauten die Mitte Berlins. Es galt als eines der Hauptwerke des protestantischen Profanbaus des Barocks. Kaiser Wilhelm II. hielt dort zu Beginn des Ersten Weltkriegs zwei Balkonreden an die Stadtbevölkerung, in denen er das Volk auf die nationale Einheit einschwor. Vom selben Balkon proklamierte der Sozialistenführer Karl Liebknecht am 9. November 1918, nach der militärischen Niederlage des Kaiserreichs und der Flucht des Monarchen, die Sozialistische Deutsche Republik.
Die hohe Geschichtshaltigkeit des Bauwerks ist es wohl, die so viele Menschen für einen Wiederaufbau begeistert; zugleich der Wunsch, dass Berlins historische Mitte wieder architektonisch sichtbar wird. Diese Begeisterung steht allerdings in merkwürdigem Kontrast zu den vagen Plänen zur Nutzung des Hauses.
Kulturelle Zwecke
Zumindest steht fest, dass es ausschließlich kulturellen Zwecken dienen soll. Damit entfällt die einst vorgesehene Tiefgarage ebenso wie die Einbeziehung eines Hotels. Mit der nahe gelegenen Museumsinsel, der Humboldt-Universität, dem Deutschen Historischen Museum und der Staatsoper Unter den Linden soll sich das Stadtschloss zu einem Zentrum der Künste und der Wissenschaften verbinden.
Aber wie? Von der einstigen großen, auf 800 Millionen und damit fast auf das Doppelte veranschlagten Lösung ist nicht viel übrig geblieben. Da das Land Berlin durch seinen vergleichsweise geringen Baukostenbeitrag von 32 Millionen Euro nur ein Zehntel der Gesamtfläche des Gebäudes erwirbt, werden sich manch hochfliegende Pläne zerschlagen; vor allem der Plan einer riesigen Bibliothek. Die Räume des Schlosses werden vermutlich vor allem den Sammlungen außereuropäischer Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zugute kommen, jener Kollektion also, die aus ihrer maroden Unterkunft im Stadtteil Dahlem dringend ausziehen muss.
Umzug der Gemäldegalerie?
Zudem ist ein Umzug der Gemäldegalerie am Kulturforum ins Schloss denkbar - allerdings wäre dies wenig sinnvoll. Eher gäbe es gute Gründe für einen Umzug auf die Museumsinsel, wo sich schon früher zahlreiche Stücke dieser topographisch heute unter Wert präsentierten Sammlung von Weltrang befanden. Der Streit um das Stadtschloss ist also noch lange nicht beendet.
Vor allem der Bund wird darlegen müssen, wie er die immense Summe für das Projekt zusammenbe- kommt; man wird sich über eine abgespeckte Version dieses "Humboldt-Forums" einigen müssen, eines "urbanen Weltorts für Kunst und Kultur". Und sicherlich wird auch erneut eine Diskussion darüber aufflammen, ob es statthaft ist, ein Baudenkmal zu rekonstruieren, von dem nur noch wenige Teile erhalten sind.