Gwyneth Paltrow in "Country Strong" Sturz einer Diva

Düsseldorf (RP). Niemand will es zugeben, dabei ist es offensichtlich: Auf einen Oscar, oder wenigstens eine Nominierung, kann man bewusst und gezielt hinarbeiten. "Country Strong" erfüllt die nötigen Anforderungen. Im Mittelpunkt steht die Sängerin Kelly Canter, die, im fünften Monat schwanger, betrunken von der Bühne gefallen ist und eine Fehlgeburt erlitten hat. Seelisch und körperlich gezeichnet arbeitet sie an ihrem Comeback.

Eine ähnliche Geschichte hat vor einem Jahr Jeff Bridges seinen Oscar eingebracht, für seinen alternden, alkoholabhängigen Countrysänger in "Crazy Heart". Gwyneth Paltrow hat den Preis zwar schon einmal bekommen, aber das ist über zehn Jahre her, seitdem fehlte ihr der große Wurf. Mit "Country Strong" hätte er gelingen können.

Die Rechnung ging nicht auf. "Country Strong" erhielt seine einzige Oscar-Nominierung für den besten Song. Dabei spielt Gwyneth Paltrow nicht schlecht, ganz im Gegenteil. Sie spielt einfach nur zurückhaltend. Sie verzichtet auf Wein- und sonstige Krämpfe. Ihre Kelly Canter ist keine Alkoholikerin, die nebenbei singt, sondern eine Sängerin, die nebenbei trinkt.

Proben und Konzerte

Für die Regisseurin Shana Feste steht das Milieu der Country-Musiker und deren Fans im Mittelpunkt. Die Handlung besteht fast nur aus Proben und Konzerten. Spannend ist der Film dennoch, weil von jedem Auftritt das Wohl der Figuren abhängt. Der Höhepunkt ist zugleich ein möglicher Tiefpunkt: Kelly plant ein Konzert in Dallas, wo sie einst verunglückt ist. Die Presse wartet auf eine Katastrophe.

Zurückhaltend und differenziert sind auch die anderen drei Hauptfiguren gezeichnet. Kellys Ehemann James (Tim McGraw) ist auf den ersten Blick ein finsterer Geselle, der aus Profitgier seine labile Frau aus der Reha-Klinik entführt und auf die Konzertbühne zwingt.

Doch offensichtlich braucht sie seine starke Hand, und er glaubt, ihretwegen stark sein zu müssen. Mit Natürlichkeit verkörpert Garrett Hedlund den aufstrebenden Sänger Beau Hutton, dem Kelly sich lieber anvertraut als ihrem Mann.

Die erstaunlichste Figur ist eine junge Rivalin, die Kellys Platz einnehmen möchte. Chiles Stanton (Leighton Meester aus der "Gossip Girl") wirkt anfangs unsympathisch und unbegabt.

Wie sie Format gewinnt, menschlich und künstlerisch, das hat Shana Feste, die auch das Drehbuch schrieb, einfühlsam umgesetzt. "Country Strong" ist nicht die befürchtete Oscar-Anbiederung, sondern eine entspannte Charakter- und Milieustudie.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

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